China, das 1,4-Milliarden-Volk, hat ein Problem. Es hat zu wenig Kinder. Deshalb nimmt die Bevölkerung kontinuierlich ab. Natürlich ist das Problem von der politischen Führung erkannt. So wurde die Ein-Kind-Politik bereits im Oktober 2015 abgeschafft und durch eine Zwei- und Drei-Kind-Politik ersetzt. Nur: Diese Kurskorrektur zeigte keine Wirkung. 2024 betrug die Zahl der Geburten 9,54 Millionen. Das ist im Vergleich zu 2016 fast die Hälfte weniger. Damals wurden 18,8 Millionen Kinder geboren,
Nun versucht es die Regierung mit Geldgeschenken. Am 28. Juli verabschiedete der Staatsrat den Implementation Plan for the Childcare Subsidy Program. Danach bekommen die Eltern für alle Kinder unter drei Jahren ab dem 1. Januar 2025 einen Betrag von 3600 Yuan (433 Euro). Rund 20 Millionen Familien profitieren von dieser neuen Regelung.
“It’s a signal that the government sees the birth rate crisis as urgent and national”, sagt Emma Zang, Soziologin an der Yale Universität, gegenüber CNN. „It marks a shift from previous years, when the government largely left the issue of addressing directly birth rate to local authorities”, schreibt Ming Gao (Lund University) in Asia Times (4. August). Bislang haben nur Städte solche Programme aufgelegt. Zum Beispiel Hohot, die Hauptstadt der Inneren Mongolei. In der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt bekamen Eltern für das erste Kind 10 000 Yuan, für das zweite 50 000 Yuan und für das dritte gar 100 000 Yuan. Wesentlich weniger gab es in Hangzhou und Shenzhen. Ein drittes Kind wurde dort mit 19 000 bzw. 25 000 Yuan belohnt. Jetzt gibt es also eine landesweite Geldspende. Diese Maßnahme hat eine gewisse Signalwirkung. Zum ersten Mal setzt die Regierung ein fiskalpolitisches Instrument ein, um die Chinesen zu mehr Geburten zu bewegen. Doch die große Frage lautet: Wird das Instrument Wirkung zeigen?
Ming Gao ist skeptisch. Er hat seinen Artikel in Asia Times mit der Überschrift versehen: „China can´t buy its way to a baby boom.“ In seinem Artikel fordert er dann: „It will need more than cash, familiy need time and labour support.” Es brauche einen Kulturwandel. Bislang bleibt die Erziehung bei der Frau hängen, die deshalb oft ihre beruflichen Ziele hintanstellen muss. Auch die Väter müssten in die Pflicht genommen werden. Ming Gao fordert, die Elternschaft müsse als eine gemeinsame Aufgabe gesehen werden.
Viele potentielle Eltern sagen, dass der nun von der Regierung ausgelobte Betrag viel zu niedrig sei. Schon 2022 ergab eine Online-Umfrage , dass rund 90 Prozent aller Eltern kein zweites Kind wollen, selbst wenn sie dafür jährlich 12 000 Yuan vom Staat bekämen. Die Kosten für die Erziehung eines Kindes seien in China einfach zu hoch. Ein im Februar 2024 veröffentlichter Report des YuWa Population Research Institute ergab, dass „China is one of the most expensive places in the world to raise a child, ouststripping the USA and Japan in relative terms”. So betrugen die durchschnittlichen Kosten für ein Kind bis zum 18. Lebensjahr in China 538 000 Yuan. Das war das 6,3fache des Pro-Kopf-Einkommens. In den USA und Japan waren die Werte mit dem 4,11fachen bzw. 4,26fachen wesentlich geringer.
Angesichts dieser hohen Kosten ist die junge Generation zurückhaltend. “The response from China´s younger generation has been lukewarm“, schreibt Mark Tanner in seinem Newsletter China Skinny (29. Juli) und verweist auf eine interessante Entwicklung: “Pets are becoming the new children.“ Haustiere statt Kinder – diesen Trend gibt es schon seit Jahren und er hält unvermindert an. Für Tanner wird Chinas junge Generation zunehmend individualistischer. Sie habe Angst vor dem Druck, der mit der Erziehung eines Kindes in einer hyperkompetitiven Gesellschaft einhergehe.
Viele – ob Eltern oder auch Wissenschaftler – bezweifeln deshalb, dass der nun von der Regierung ausgelobte Geldbetrag ausreiche, um eine Kehrtwende bei den Geburtenzahlen zu erzielen. Tanner schreibt: „Experts agree that cash alone won´t spark a baby boom.“ Er zitiert Zhang Benbo vom einflussreichen Superministerium NDRC: “Comprehensive policy tools are essential and cash subsidies are a necessary part.”
Es sieht so aus, dass die Regierung diese begleitenden Maßnahmen liefern will. Nur ein paar Tage nach der Verkündigung des Geldgeschenks gab der Staatsrat bekannt, dass ab Herbst bei allen öffentlichen Vorschulen keine Gebühren mehr anfallen.
Info:
Guidelines des Staatsrats (in Chinesisch): https://www.gov.cn/zhengce/content/202508/content_7035305.htm
Ming Gao in Asia Times: https://asiatimes.com/2025/08/china-cant-buy-its-way-to-a-baby-boom/
Mark Tanner in China Skinny: https://chinaskinny.com/blog/chinese-initiatives-to-encourage-marriage-kids