Am 6. Juni feierte der Dalai Lama seinen 90. Geburtstag in Dharamsala, seinem nordindischen Exil. Schon vor mehr als 13 Jahren hat er angekündigt, dass er um dieses Datum herum verkünden werde, wie es nach seinem Ableben weitergehen soll. Damals sagte er: „Wenn ich etwa neunzig bin, werde ich mich mit den hohen Lamas der tibetischen buddhistischen Traditionen, der tibetischen Öffentlichkeit und anderen betroffenen Menschen, die dem tibetischen Buddhismus folgen, beraten, um neu zu bewerten, ob die Institution des Dalai Lama fortgesetzt werden soll oder nicht.“
Lange ließ er offen, ob es nach ihm, dem 14. Dalai Lama, einen weiteren Dalai Lama geben wird. Am 2. Juli sandte der Dalai Lama nun eine Videobotschaft an seine tibetischen Anhänger und Landsleute und beruhigte sie: „In Übereinstimmung mit all diesen Bitten bekräftige ich, dass die Institution des Dalai Lama fortbestehen wird.“ Nicht eindeutig hat er sich zu der Frage geäußert, wie er sich seine Nachfolge vorstellt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: die Reinkarnation oder die Emanation. Bei der Emanation wird noch zu Lebzeiten des aktuellen Dalai Lama ein Nachfolger bestimmt. Bei der Reinkarnation wird erst nach dessen Tod ein neuer Dalai Lama gesucht. Wie das geschieht? Laut Mark Siemons (FAZ) gibt es dazu verschiedene Methoden: „Instruktionen in einem Brief des Vorgängers könnten ebenso eine Rolle spielen wie glaubwürdige Erinnerungen von Gegenständen oder Personen aus dem Leben des Vorgängers.“ Klar ist auf jeden Fall, dass der Nachfolger nicht aus China stammen wird, also auch nicht aus der Autonomen Region Tibet. In seinem vor kurzem erschienen Buch „Eine Stimme für die Entrechteten“ schrieb der Dalai Lama, dass sein Nachfolger in der „freien Welt“ geboren sein muss.
Die chinesische Regierung reagierte prompt.auf die Ankündigung des Dalai Lama vom 2. Juli. Noch am selben Tag verkündete Außenamtssprecherin Mao Ning die Position Chinas: „Die Reinkarnation großer buddhistischer Persönlichkeiten wie des Dalai Lama und des Panchen Lama muss durch Losziehung aus der goldenen Urne bestimmt und anschließend von der Zentralregierung genehmigt werden.“ Die Regierung bezieht sich dabei auf die 2007 veröffentlichte Verordnung Nr.5 über die „Regulierung der Reinkarnation Lebender Buddhas“. Dort ist geregelt, wie sich der chinesische Staat die Reinkarnation vorstellt. Der Auserwählte soll auf jeden Fall aus Tibet kommen.
Es wird also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nach dem Tod des aktuellen Dalai Lama zwei Nachfolger geben: Einen, der durch Reinkarnation oder Emanation an die Spitze der tibetischen Religion kam, und einen, der durch Beijings Gnaden ernannt wurde. Auch die tibetische politische Führung rechnet damit. Penpa Tsering, Chef der tibetischen Exilregierung, sagte gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Wir wissen natürlich, dass sich die Regierung in Peking seit vielen Jahren auf den Tod Seiner Heiligkeit vorbereitet und dass es eines Tages zwei Dalai Lama geben wird.“
Aber vielleicht wird das alles noch einige Zeit dauern, denn der gerade 90 Jahre alte gewordene Dalai Lama gab einmal bekannt, dass er geträumt habe, 113 Jahre alt zu werden.
Info:
Erklärung des Dalai Lama vom 2. Juli: https://de.dalailama.com/news/erkl%C3%A4rung-zur-fortf%C3%BChrung-der-institution-des-dalai-lama