WIRTSCHAFT I Preiskampf (I): Elektroautos

Zwischen den Herstellern von Elektroautos findet in China derzeit ein Preiskrieg statt. Wieder einmal, muss man sagen. Seit rund zwei Jahren prescht immer mal wieder ein Unternehmen mit Preissenkungen vor. Früher war es Tesla, das in Shanghai eine Mega-Fabrik betreibt, und so Marktanteile gewinnen wollte. Diesmal war es der Marktführer BYD, der eine neue Runde im Preiskampf einläutete. Am 23. Mai verkündete das Unternehmen aus Shenzhen Preissenkungen für einen Teil seiner Flotte. Für 22 Modelle reduzierte der Marktführer die Preise um bis zu 20 Prozent. Darunter war das beliebte Einsteigermodell „Seagull“, das statt 69 800 Yuan nur noch 55 800 Yuan (6 815 Euro) kostet.

Die Konkurrenz war geschockt und reagierte – ja musste reagieren. Ihr blieb nichts anderes übrig als ebenfalls die Preise zu senken. Geely, Chery, Leapmotor – um nur ein paar Namen zu nennen – zogen nach. Man kann über die Motive von BYD nur rätseln, zumal das Management keine Gründe für die Preispolitik nennt. Aber man kann davon ausgehen, dass es den einen oder anderen Konkurrenten aus dem Markt drängen will.

Der chinesische Markt für Elektroautos ist ziemlich unübersichtlich. Über 100 Hersteller sollen sich auf ihm tummeln. Viele von ihnen machen jetzt schon keine Gewinne mehr. Der aktuelle Preiskampf wird ihre Sorgen nochmals verstärken. Könnte es also zu Insolvenzen kommen? Ist die Autobranche nach der Immobilienbranche das zweite große Sorgenkind? Wei Jianjun, Vorsitzender des staatlichen Autoherstellers Great Wall Motors, äußerte sich in einem Sina-Interview in diesem Sinne. Er sieht Parallelen zwischen beiden Branchen. Er warnte vor einem neuen „Evergrande“. Zur Erinnerun: Evergrande war der Immobilien-Gigant aus Guangzhou, der in Konkurs ging. Li Yunfei, PR-Manager von BYD, nannte auf Weibo solche düsteren Prophezeiungen „alarmistisch“.

Doch es sind nicht nur die BYD-Konkurrenten, die mehr oder weniger lautstark die Preispolitik des unangefochtenen Marktführers kritisieren. Auch Verbände, Händler und die Politik melden sich. Die China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) spricht von Panik am Markt und sieht die Branche in einem Teufelskreis. Auch der ansonsten eher zurückhaltende Verband der Autohändler – The China Auto Dealers Chamber of Commerce – meldet sich in einem öffentlichen Statement zu Wort: „Price wars may win headlines, but they are dragging the entire industry in a downward spiral.”

Und auch die Politik macht sich Sorgen. Peoples’ Daily, das Sprachrohr der Partei, schrieb am 1. Juni: „Low-price and low-quality products would sincerely damage the international reputation of  ‘Made in China’.” Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT] warnt vor den Folgen des Preiskriegs: „They hinder companies’ sustained investments in research and development, ultimately affecting product quality, performance and service levels.” Dieser Preiskrieg sei “a classic example of ‘ínvolutionary’ competition.”

Involution – auf Chinesisch neijuan (内 卷) – ist das neue Wort in der politischen Diskussion. Wörtlich bedeutet es: nach innen rollen, sinngemäß meint man aber einen exzessiven Wettbewerb. Zum ersten Mal tauchte der Begriff nach einer Sitzung des Politbüros am 30. Juli vergangenen Jahres auf. Damals sprach man von der Notwendigkeit „to prevent involuted vicious competition“. In der Central Economic Working Conference im Dezember 2024 wurde der Begriff wieder aufgegriffen und es wurde „industrielle Selbstdisziplin“ gefordert. Und auch im Arbeitsbericht von Ministerpräsident Li Qiang, den er im März vor dem Nationalen Volkskongress vorstellte, sprach dieser von „neijuan-style competition“, den es zu verhindern gelte. Aber derzeit sieht es nicht danach aus, sondern eher nach einem ruinösen Wettbewerb.

Einzige Gewinner in diesem Preiskampf sind die chinesischen Autokäufer – und die Umwelt. In den vergangenen zwei Jahren sind die Preise für Elektroautos – so ein Bericht der japanischen Investmentbank Nomura – um 19 Prozent gesunken. Viele Käufer haben sich deshalb für ein E-Auto entschieden. Inzwischen beträgt der Anteil der E-Autos bei den Neuzulassungen konstant über 50 Prozent. Die Umwelt freut’s.

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