GESELLSCHAFT I Viele Bauern sind im Alter arm dran

Rund 180 Millionen Rentner in China bekommen derzeit nur die Grundrente. Im Schnitt sind dies rund 240 Yuan (knapp 30 Euro) monatlich Das ist ein Durchschnittswert, denn die Grundrente variiert von Provinz zu Provinz. In den Städten des Ostens ist sie um einiges höher, in den ländlichen Provinzen des Westens deutlich niedriger. Dort beträgt die Grundrente oft nur zwischen 100 und 200 Yuan (12 bzw. 24 Euro). Es sind meist Bauern, die diese minimale Rente beziehen. Neidisch blicken sie auf die Renten der Beamten (im Schnitt 6100 Yuan) und der privat Beschäftigten (3150 Yuan).

Ausgerechnet die Bauern, die einst das Rückgrat der kommunistischen Revolution unter Mao bildeten, sind die Verlierer des Systems. In einem Kommentar in Farmers’ Daily vom 16. April wird die Marginalisierung der Bauern durch das soziale Sicherheitssystem beklagt. Als sie jung waren, hätten sie ihren Beitrag zum Aufbau des Landes geleistet, im Alter seien sie aber auf sich alleine gestellt. Viele Bauern können mit diesen Mini-Renten nicht (über-)leben, brauchen zusätzliche Unterstützung. „The situation forces them to rely on their children, the second-generation migrant workers, who in turn must cut back on their own consumption”, stellt Professor Ju Ronghua von der China Agricultural University fest.

Es mehren sich in der Wissenschaft, aber auch in der Politik die Stimmen, die eine Besserstellung der älteren Bauern fordern. Zum Beispiel Qian Junhui, Professor am Antai College of Economics and Management an der Jiaotong Universität Shanghai. In einem WeChat-Post vom 8. April plädiert für eine Grundrente für Bauern von 2000 Yuan (245 Euro) Nicht so viel, aber immerhin 1000 Yuan fordert der ehemalige Medienmanager Peng Yuanwen. In einem Artikel vom Januar dieses Jahres nennt Peng, der in Sichuan aufgewachsen ist, „ten reasons to raise farmers‘ basic pensions to 1000 RMB“. Ein wichtiger Grund: „Raising farmers’ penions can boost consumption and enhance the authorities´ legitimacy, social stability and international image.” Lu Ting, Chief China Economist bei der Investmentbank Nomura, hält eine Erhöhung von 200 Yuan für realistisch. Auch er argumentiert eher volkswirtschaftlich. Eine solche Erhöhung sei „the most effective policy tool for boosting consumption in China over the next year or two.” China leidet seit Jahren an einer Konsumschwäche. Eine höhere Rente für Bauern könnte da in der Tat hilfreich sein für die Ankurbelung des Konsums.

Partei und Regierung sind sich offenbar grundsätzlich des Problems bewusst, plädieren aber nur für marginale Erhöhungen der Bauern-Renten. Im berühmten Dokument Nummer Eins, dass stets zu Jahresbeginn über die Situation der Landwirtschaft berichtet, wird lediglich von einer „graduellen Erhöhung“ gesprochen. Auf dem Nationalen Volkskongress Anfang März wurde dann eine Erhöhung von 20 Yuan (2,45 Euro) beschlossen, was zu hämischen Kommentaren in den sozialen Medien führte. Jemand schrieb, das sei, „als ob man einem Bettler Almosen gebe.“ Die Regierung zögert, weil sie offenbar die Kosten für eine substantielle Rentenerhöhung für die Bauern scheut. Professor Qian Junhui beziffert die jährlichen Mehrkosten bei einer Rente von  2000 Yuan für 130 Millionen Bauern auf 3,12 Billionen Yuan und prophezeit, dass diese Erhöhung Multiplikatoreffekte habe: „This could drive a trillion-level increase in consumption.“

Info:
Artikel in Pekingnology: https://www.pekingnology.com/p/calls-to-address-pension-inequality

Artikel in ThinkChina: https://www.thinkchina.sg/economy/can-pensions-save-chinas-economy-rural-elderly-heart-trade-war-strategy

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