Die USA und China befinden sich mitten in einem Handelskrieg. Nach mehrmaligem Hin und Her stehen wir inzwischen bei 145 Prozent Zoll auf chinesische Waren, die in die USA exportiert werden, und bei 125 Prozent für amerikanische Güter, die nach China gehen. China ist das einzige Land, das auf Trumps Zollerhöhungen mit heftigen Gegenmaßnahmen reagiert hat. Deshalb hat Trump auch die angekündigten Zölle gegen China nicht ausgesetzt. Für alle anderen Nationen, die auf seiner ominösen Zoll-Liste stehen, gilt dagegen ein 90-tägiges Moratorium. Im Folgenden will ich einige Aktionen und Reaktionen auf den Zollstreit vor allem in China beschreiben.
In chinesischen Städten und Provinzen gibt es Krisensitzungen und Symposien, wie man den betroffenen Unternehmen helfen kann. Vor allem in Städten mit vielen exportabhängigen Firmen herrschte hohe Betriebsamkeit. Die acht Städte mit der größten Exportabhängigkeit sind: Chongzuo, Zhoushan, Danzhou, Jinhua, Shenzhen, Dongguan, Fengchenggang und Xiamen. Die betroffenen Städte und Provinzen wollen vor allem ihre Unternehmen bei der Suche nach alternativen Absatzmöglichkeiten – ob im In- oder Ausland – unterstützen.
Die Stadt Yiwu ist das Handelszentrum Chinas – ach was – der ganzen Welt. In riesigen Messehallen werden dort das ganze Jahr über Waren aller Art angeboten – von der Haarspange bis zur Kaffeemaschine. Eigentlich alles, was es in den Billigshops in aller Welt zu kaufen gibt. Wie ist dort die Stimmung? Eher business as usual, denn weniger als zehn Prozent der Waren gingen in die USA, heißt es dort. Von den rund 75 000 Händlern seien „nur“ 3000 stärker im US-Geschäft involviert. Und um die Weihnachtsdekoration müssten sich die Amerikaner keine Sorgen machen: Die entsprechenden Artikel seien schon unterwegs.
Shein und Temu: Die beiden Fast-Fashion-Unternehmen sind doppelt betroffen. Einmal durch die hohen Zölle, zum anderen durch die Abschaffung der De-Minimis-Regel, wonach Päckchen bis 800 Gramm zollfrei waren. Inzwischen schaltet Temu keine Werbung mehr auf Google und Meta (WhatsApp und Instagram). Für Shein ist es ein unglücklicher Zeitpunkt. Eigentlich wollte das Unternehmen an die Börse in London gehen und hat dazu inzwischen auch das OK der britischen Behörden. Allerdings sank die Bewertung des Börsenkandidaten von 100 Milliarden auf 30 Milliarden Dollar. Überraschender Gewinner ist der chinesische Onlinehändler DHgate, der viele seiner nachgemachten Produkte trotz hoher Zölle zu Spottpreisen in den USA anbietet.
Mauritius: Auch das ferne Mauritius im Indischen Ozean ist von Trumps Zollpolitik betroffen. 40 Prozent Zoll sollen auf dessen US-Exporte erhoben werden. Die kleine Insel (1,2 Millionen Einwohner), die eine relativ starke Textilindustrie hat, wird sich deshalb vermehrt China zuwenden, mit dem es seit 2019 ein Freihandelsabkommen hat. Besonders pikant: Zu Mauritius gehört der Stützpunkt Diego Garcia, auf dem britische und amerikanische Truppen stationiert sind.
Wie abhängig die USA von China sind, zeigt die Liste der bedeutendsten Importartikel aus China. Nach Angaben der US International Trade Commission kommen 86 Prozent der Spielekonsolen aus China. Nicht viel anders sieht es bei folgenden Produkten aus: PC-Monitore (79 Prozent), Spielwaren (76), Smartphones (73), Lithium-Ionen-Batterien (70) und Laptops (60). Kein Wunder, dass Trump klein beigab und die Elektroartikel von den Zollerhöhungen ausnahm.
Seltene Erden sind eine wichtige Waffe, die China im Handelskrieg in der Hand hat. China dominiert nämlich den globalen Markt für seltene Erden (REEs). 90 Prozent der Verarbeitung aller 17 seltenen Erden findet in China statt. Sieben der seltenen Erden brauchen inzwischen eine Genehmigung, sollten sie in die USA exportiert werden. Sie sind also nicht verboten. Das zeigt aber auch, dass China noch weiteres Eskalationspotential hat. Es kann die Exporte von bisher „restricted“ auf „prohibited“ setzen.
Eine letzte Waffe hätte China noch im Köcher: Die finanzielle Atombombe. Damit sind die Staatsanleihen gemeint, die China in den USA seit Jahren hält. Nach einem Weißbuch des chinesischen Staatsrats hielt der chinesische Staat Ende 2024 exakt 759 Milliarden Dollar amerikanische Staatsanleihen. Sollte China beschließen, auch nur einen Teil davon abzuziehen, hätte nicht nur die USA ein Problem, sondern die ganze Welt. Übrigens halten alle asiatischen Zentralbanken zusammen rund drei Billionen Dollar der US Treasuries.
Alte Mao-Parolen kommen angesichts des Handelskrieges wieder zu Ehren. Außenamtssprecherin Mao Ning verbreitete in einem Tweet Durchhalteparolen: „We are Chinese, we are not afraid of provocations. We don´t back down.” Dazu stellte sie das Video einer Mao-Rede zu Zeiten des Korea-Kriegs. Dort sagte Mao: „No matter how long this war is going to last, we’ll never yield. We’ll fight until we completely triumph.”
Eine positive Folge für China hat der Zollstreit mit den USA: Der inländische Konsum ist plötzlich eine Alternative zu den ausbleibenden Exporten in die USA. Schon seit Jahren fordern Ökonomen im In- wie Ausland eine Erhöhung der Konsumquote, die gegenüber anderen Ländern immer noch relativ niedrig ist. Schon beim Nationalen Volkskongress Anfang März hat Chinas
Führung die Weichen für einen stärkeren inländischen Konsum gestellt. Der Zollstreit könnte den Prozess beschleunigen. Interessant: Chinas große E-Commerce-Unternehmen wollen den chinesischen Produzenten helfen, ihre Waren besser im Inland zu vermarkten.