Am 8. und 9. April fand im Jingxi Hotel in Beijing eine interessante Konferenz statt. Der offizielle Titel lautete in der englischen Übersetzung „Working Conference on Neighbourhood Diplomacy.“ Ein ähnliches Symposium gab es zuletzt 2013. Warum jetzt wieder? Die Antwort hat einen Namen: Donald Trump. Er hat mit seiner Zollorgie am „Liberation Day“ nicht nur China, sondern die meisten anderen asiatischen Länder verärgert und gegen sich aufgebracht. Für China ist das die Chance, sich bei den frustrierten Nachbarn im Gegensatz zu den erratischen USA als verlässlicher Partner zu präsentieren. Deshalb diese Konferenz. Nach deren Ende hiess es im offiziellen Readout: „China’s relations with its neighboring countries are currently at their best in modern times.”
Nur wenige Tage nach dieser Konferenz ließ Xi Jinping den Worten Taten folgen. Vom 14. bis 18. April reiste er in die drei südostasiatischen Länder Vietnam, Kambodscha und Malaysia. Alle drei sind von Trumps Zöllen betroffen: Malaysia mit 24 Prozent, Vietnam mit 46 Prozent und Kambodscha mit 49 Prozent. Diese Zölle sind inzwischen ausgesetzt, aber trotzdem herrscht nicht nur in diesen Ländern große Unsicherheit, wie es weitergeht. In diesen schwierigen Zeiten versprach Xi bei seinen Reisen Kontinuität und Stabilität. In Vietnam wurden 45 Abkommen unterzeichnet, 37 in Kambodscha und 31 in Malaysia. Insbesondere die Eisenbahnverbindungen waren Gegenstand von Verträgen. Wie hoch die Wertschätzung war, zeigte sich in allen drei Ländern auch daran, von wem Xi Jinping am Flughafen begrüßt wurde: In Vietnam war es Präsident Luong Cuong, in Malaysia Premierminister Anwar Ibrahim und in Kambodscha König Norodom Sihamoni, der überhaupt zum ersten Mal ein ausländisches Staatsoberhaupt direkt am Flughafen begrüßte.
Bei allen Gesprächen war natürlich Trump das große Thema. Xi bot den von Trumps Zollpolitik betroffenen Staaten Zusammenarbeit an. Er sprach gar von der „asiatischen Familie“. Zumindest Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim ging darauf ein. Er sagte: „Facing the rise of unilateralism, Malaysia will work closer with China to jointly tackle risks and challenges.” Kambodscha und Vietnam fahren doppelgleisig: Sie wollen auch weiterhin mit China zusammenarbeiten (schließlich ist China ihr größter Investor und Handelspartner), aber gleichzeitig verhandeln sie mit der Trump-Administration, damit sie die angekündigten Zölle reduziert oder zurücknimmt.
Hier zeigt sich das Dilemma der südostasiatischen Länder, die sich im Staatenbund Asean zusammengeschlossen haben. Sie sind gespalten in ihrem Urteil über China und die USA. Das bestätigte auch der gerade veröffentlichte „The State of Southeast Asia 2025 Survey Report“ des ASEAN Studies Centre in Singapur. Danach sehen 51,6 Prozent der Befragten China vor allem wegen seiner Politik im Südchinesischen Meer kritisch, 46,9 Prozent trauen der neuen US-Regierung nicht. Bislang lavierten sich die südostasiatischen Staaten relativ gut durch dieses Dilemma. Aber ist nun die Stunde der Entscheidung gekommen? Diese Frage diskutiert Lynn Kuok (Brookings) in ihrem Foreign Affairs-Beitrag: “How Trump’s Coercion Could Backfire in Asia”. Die Trumpsche Politik könnte die Asean-Staaten in die Arme Chinas treiben, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollen: „Even today, the region does not want to have to choose between the United States and China“, schreibt Lynn Kuok.
Die Trumpsche Politik ist also kontraproduktiv – in Südostasien, aber auch in Ostasien. Auch dort zeichnen sich zarte Annäherungen zwischen Japan, Südkorea und China ab. Erinnert sei an die trilateralen Ministertreffen Ende März. Zum ersten Mal seit 2023 trafen sich in Tokio die drei Außenminister, eine Woche später in Seoul auch die Handelsminister. Das italienische Forschungsinstitut ISPI urteilt: „The three countries have temporarily sidelined deep-seated differences.” Ob da eine engere Zusammenarbeit oder gar – wie manche spekulieren – ein Freihandelsabkommen zwischen den drei Staaten entstehen könnte, ist derzeit noch völlig unklar. Japan und Korea versuchen zunächst, Trump von seinen Zöllen abzubringen. Beide Länder schickten deshalb gewaltige Delegationen – die koreanische war 60 Frau und Mann und stark – zu Verhandlungen nach Washington. Dass diese Länder nun bilateral mit den USA verhandeln und möglicherweise einen Deal mit den USA machen, gefällt China überhaupt nicht. Ministerpräsident Li Qiang hat deshalb einen Brief an Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba geschrieben, in dem er eine koordinierte Antwort auf die Trumpsche Zollpolitik anmahnt. Und das chinesische Handelsministerium warnte bereits, man werde „entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen“, sollte ein asiatisches Land ein Abkommen zu Lasten Chinas abschließen.
Info:
Hier “The State of Southeast Asia 2025 Survey Report”: https://www.iseas.edu.sg/centres/asean-studies-centre/state-of-southeast-asia-survey/the-state-of-southeast-asia-2025-survey-report/
Und hier der Artikel von Lynn Kuok in Foreign Affairs: https://www.foreignaffairs.com/united-states/how-trumps-coercion-could-backfire-asia