An Chinesisch Neujahr war Liang Wenfeng, Gründer und Chef von DeepSeek, kurz in seiner Heimatstadt Mililing in der Provinz Guangdong. Dort wurde er überschwänglich begrüßt. Auf roten Bannern war zu lesen: „A warm welcome to Wenfeng, the pride and hope of our hometown”. Hier ging er zur Schule, hier leben seine Eltern. Zeitgleich zu Liangs Rückkehr begaben sich einige Journalisten in die Stadt, um Liang eventuell zu Gesicht zu bekommen. Doch Liang, von Bodyguards abgeschottet, wurde von ihnen nicht gesichtet. Die Journalisten befragten stattdessen Einwohner von Mililing begnügen, um etwas mehr über den neuen Techstar Chinas zu erfahren. Häppchenweise wurden so neue Informationen über Liang bekannt. Dass seine Eltern und sein Großvater Lehrer waren. Dass er gerne Fußball spielt – und das offenbar auch an Neujahr mit seinen alten Kumpeln tat. Und “he was a top-student, especially in maths. He liked reading comic books”, verriet ein ehemaliger Lehrer der Financial Times.
Liang macht sich rar – nicht nur an Neujahr in seiner Heimatstadt. „The Mistery Man“ nennt ihn die Financial Times. Es existieren nur zwei Fotos von ihm. Eines entstand während eines Symposiums am 20. Januar in Beijing. Dort war Liang einer von acht Experten, die zusammen mit Ministerpräsident Li Qiang über die technologische Entwicklung des Landes diskutierten. Das Foto zeigt einen jugendlich aussehenden 40jährigen im grauen Dreiteiler mit einer etwa wirren Frisur. Das andere Bild, das chinesische, aber auch zum Teil deutsche Medien wie die Süddeutsche Zeitung abdruckten, zeigt einen adretten jungen Mann mit gegeltem Haar. Es fällt schwer, darin die gleiche Person zu erkennen.
Liang zeigt sich selten in der Öffentlichkeit und er redet fast nie mit Medien. Es gibt nur zwei Interviews von ihm, die er beide dem chinesischen Online-Medium Waves gab (und die unter Info in englischer Übersetzung nachzulesen sind). Dort erfährt man mehr über ihn und darüber, wie er als Gründer und Unternehmer tickt.
Schon mit 17 Jahren bekam das Mathe-Talent 2002 einen Studienplatz an der Zhejiang Universität in Hangzhou, wo er Information und Communication Engineering studierte und schon früh erkannte, dass Künstliche Intelligenz die Welt verändern würde. 2010 machte er seinen Abschluss als Master. Er ging danach nicht wie viele seiner Studienkollegen zu irgendwelchen chinesischen High-Tech-Konzernen, sondern verzog sich in eine billige Bude nach Chengdu. Dort überlegte er quasi im stillen Kämmerlein, wie er seine theoretischen KI-Kenntnisse in praktische Anwendungen umsetzen konnte. Und er fand die Lösung im Finanzbereich. Er gründete einen ersten Hedgefonds, der seine Anlageentscheidungen mit Hilfe von KI traf. Kleine Anekdote am Rande: Liang Wengfeng wurde in jener Zeit des Nachdenkens von Wang Tao, dem Gründer des inzwischen weltgrößten Drohnenherstellers DJI angesprochen, ob er nicht bei ihm einsteigen wolle. Liang wollte nicht. 2015 startete er dann mit seinem Hedgefonds High Flyer durch. Er sammelte Milliarden Yuan an Geldern ein und verdiente dank erfolgreicher Anlageentscheidungen sehr viel Geld, das er in die Forschung von Künstlicher Intelligenz (KI) steckte. Geld und dicke Gewinne waren aber offenbar nicht sein primäres Motiv. Er ist – wie er immer wieder betont – forschungs- und nicht gewinnorientiert.
In diesem Sinne gründetet er im Mai 2023 Deep Seek, das nun mit seinem Sprachmodell weltweit Furore macht. Liang sagt: „True innovation is driven not only by commercial incentives but also by curiosity and the desire to create.” Curiosity, also Neugier, ist ein Begriff, den er häufig verwendet. Und diese erwartet er auch von seinen Mitarbeitern. Er setzt nicht – wie viele andere chinesische Start-Ups – auf Talente, die aus den USA zurückkommen, sondern auf solche von chinesischen Unis: „None of the team members were from overseas – they are local talents.“ Und auch in seiner Organisationsstruktur unterscheidet sich DeepSeek von anderen chinesischen Unternehmen: „We have no hierachical structure or departmental boundaries.“ Sichtbarer Beweis: Liang Wengfeng sitzt mitten unter seinen Mitarbeitern.
Info:
Hier die beiden ins Englische übersetzten Interviews von Liang Wenfeng mit Waves. Das erste im Mai 2023:https://drive.google.com/file/d/1DW5ohZWxoCEOdrUQjokKreuArHqJdtKb/view
Und das zweite im Juli 2024: https://drive.google.com/file/d/1gLw9jpp61ybainydNa2kXpNs0PLiICn5/view