POLITIK I XINJIANG (I): Was ist die Turkistan Islamic Party und was hat sie vor?

Als vor ein paar Wochen die Rebellengruppe HTS (Hayat Tahrir Al-Scham) siegreich in die syrische Hauptstadt Damaskus einzog und das Assad-Regime von heute auf morgen vertrieb, hatte sie auch eine Truppe im Schlepptau, die sich Turkistan Islamic Party (TIP) nennt. Zu erkennen waren sie an ihren hellblauen Flaggen mit weißem Halbmond und Stern. Kaum waren sie am 8. Dezember in Damaskus angekommen, versendeten Kämpfer dieser Truppe noch am selben Tag ein Video, in dem sie angekündigten, dass sie bereits das nächste Ziel im Visier hätten: China. Im Kampfanzug und mit fast verdecktem Gesuicht sagte einer ihrer Anführer: „Here in Syria, in Homs, in Hama, all the places here we fight for Allah. We will continue to do this in our cities of Urumqi, Aksu and Kashgar in the future. We will chase the Chinese infidels (Ungläubige) off (our Land). Allah has given us a victory here. May he also grant us a victory in our own land.” Mit eigenem Land meinen sie die derzeit chinesische Region Xinjiang, die sie in ihrem Sprachgebrauch Ostturkistan nennen.

Wer ist diese Turkistan Islamic Party, die von syrischem Boden aus China droht? Wie mächtig ist sie, wie viele Kämpfer hast sie?

Die Partei wurde in den 90er Jahren gegründet. Ihr Ziel war in Xinjiang (und Zentralasien) einen islamischen Staat zu etablieren. Sie hatte ihre Basen in Afghanistan sowie Pakistan und rekrutierte sich vor allem aus Uiguren, die Xinjiang verlassen wollten oder aufgrund chinesischer Verfolgung verlassen mussten.

Die TIP gilt als terroristische Organisation. Sie bekannte sich für mehrere Anschläge in China, obwohl die chinesischen Behörden zweifeln, dass alle auf das Konto der TIP gehen. Im September 2002 setzten die USA im Rahmen ihres War on Terror die East Turkestan Islamic Movement (ETIM), mit der die TIP damals eng verbandelt war, auf die Liste der „Persons Who Commit, Threaten to Commit, or Support Terrorism“ und im April 2004 auf die Liste der „Foreign Terrorist Organizations“. Zudem wurde die ETIM auf Druck der USA und China 2002 in die Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates aufgenommen. Auf dieser Liste steht sie weiterhin, aber nicht mehr auf der US-amerikanischen Liste. Der damalige US-Außenminister Mike Pompeo hat sie im Oktober 2020 von der Liste genommen, weil er behauptete, es gebe „no credible evidence“, dass sie noch aktiv sei.   

Dabei siedelten bereits 2013 viele TIP-Kämpfer nach Syrien über, nahmen zum Teil ihre Familien mit. Sie ließen sich im Gebiet um Idlib im Nordwesten Syriens nieder. Dort hatte auch die HTS ihre Basis. Die TIP pflegte stets gute Beziehungen zur HTS, fungierte öfters als Mediator bei Streitigkeiten zwischen der HTS und anderen Rebellengruppen. Im syrischen Fernsehen wurden sie mal als die Lieblings-Verbündeten der HTS bezeichnet. Die TIP-Truppen beteiligten sich an vielen Kämpfen an der Seite der HTS. Zum Beispiel bei der Befreiung von Latakia, Hama und Aleppo. Sie gelten als gut organisiert und erfahren. Über die Größe der Truppe gibt es unterschiedliche Angaben. Der damalige syrische Botschafter in China sprach 2017 on mindestens 5000 uigurischen Militanten in Syrien. Andere schätzen die Größe zwischen 1300 und 4500 Kämpfern ein.

Werden sie nach dem Sieg über Assad in Syrien bleiben und von dort ihren Kampf gegen China organisieren? Die derzeit herrschende HTS will das offenbar nicht. Vom HTS-Führer Abu Mohammed al-Golani wird ein früheres Zitat überliefert: “The TIP has been in Syria for seven years and has never posed a threat to the outside world…As Uyghurs, they face persecution in China – which we strongly condemn – and have nowhere else to go. But their struggle against China is not ours. They are welcomed to stay as long they abide by our rules – which they do.” Das kann man so interpretieren, dass die neuen syrischen Machthaber keine Aktionen der TIP gegen China von syrischem Boden aus tolerieren werden. In diesem Falle müssten die TIP-Kämpfer wieder dahin zurück, wo sie zuletzt herkamen – nach Afghanistan und Pakistan.

In Afghanistan gelten die herrschenden Taliban zwar als China-freundlich, aber sie beherrschen nicht vollständig ihr eigenes Land. Dort wird es genügend Schlupflöcher für rückkehrende TIP-Truppen geben. Ebenso in Pakistan. Yang Xiaotong vom Thinktank Grandview Institution in Beijing, schreibt in Asia Times: “Should battle-hardened TIP militants return to Pakistan and join forces with the TTP, BLA and others (pakistanische Terrorgruppen, Anm. der Red.), as Beijing claims is already happening, it would pose a serious threat to China’s strategic interests as its flagship project – the Belt and Road Initiative – runs through the country…The likelihood of this scenario has increased exponentially.”

Info:

Artikel von Yang Xiaotong in Asia Times: https://asiatimes.com/2024/12/china-has-cause-to-be-terrified-of-rebel-run-syria/

Hier ein guter Bericht über die TIP in Syrien von Sophia Yan in The Telegraph: https://www.telegraph.co.uk/world-news/2024/12/13/uyghur-fighters-in-syria-vow-to-come-for-china-next/?utm_source=substack&utm_medium=email

Hier eine Übersicht über Herkunft und Ziele der TIP:  https://jamestown.org/program/the-turkistan-islamic-party-in-double-exile-geographic-and-organizational-divisions-in-uighur-jihadism/

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