Am 20. September startete der Verkauf von zwei neuen Smartphones in China: Das iPhone 16 von Apple und das Mate XT von Huawei. Schon bei der Betrachtung der Schlangen, die sich vor den Stores der beiden Giganten bildeten, konnte man den Sieger des Wettstreits erkennen: Es war Huawei mit seinem Mate XT. Vorübergehend musste mangels Nachschubs der Verkauf ganz eingestellt werden. Auf dem grauen Markt der Reseller in Shenzhens Huaqiangbei-Distrikt verdreifachten sich die Preise des ohnehin schon teuren Mate XT (19 999 Yuan). Das iPhone 16 (13 999 Yuan) hingegen musste zum Teil mit Rabatten verkauft werden. Die US-Investmentbank Jefferies urteilt in einem Report: „Likely the worst first-day record for new iPhone-trading.”
Knapp zehn Tage vor dem ersten Verkaufstag hatten die beiden Giganten ihre neuen Modelle vorgestellt. Apple präsentierte das neue iPhone am 9. September, nur ein paar Stunden später folgte Huawei mit einer Livestream-Show in Shenzhen. Gespannt warteten die jeweiligen Fan-Gemeinden, was die neuen Modelle zu bieten hatten. Beide kamen mit neuen KI-Features. Apple nennt es „Apple Intelligence“ (abgekürzt AI wie Artificial Intelligence). Die AI-Features von Huawei basieren auf dem inhouse entwickelten Kirin-Chip. Der Coup des Mate XT ist jedoch dessen Design. Das neue Huawei-Smartphone lässt sich von links und rechts aufklappen und hat deshalb einen großen Bildschirm, nämlich 10,2 Zoll. Das ist fast so groß wie ein iPad (10,9 Zoll). Der amtierende Huawei-Chef Richard Yu schwärmte: „Today we will once again rewrite the history of the industry, turn science fiction into reality.” Die faltbaren Smartphones sind zumindest in China ein Renner. Apple kann da nicht mithalten. Erschwerend kommt hinzu, dass die KI-Features auf dem neuen iPhone 16 in China wohl erst gegen Ende 2025 verfügbar sein werden.
Apples iPhone verliert deshalb im chinesischen Markt zunehmend an Boden. Im ersten Quartal gingen die Umsätze um 19,1 Prozent zurück, im zweiten Quartal um 5,7 Prozent. Logische Folge: Apple rutscht in der Verkaufs-Tabelle immer weiter nach hinten. Zur Jahresmitte landete das Unternehmen auf Platz sechs. Es führt Vivo (der chinesische Handyhersteller, den man hierzulande fast nur von der Bandenwerbung im Fußball kennt) vor Huawei. Auf den weiteren Plätzen sind Oppo, Honor und Xiaomi – und dann erst Apple.
Huawei hat also Apple erfolgreich attackiert. Greift nun das Unternehmen aus Shenzhen eine andere amerikanische Ikone, nämlich Tesla, an? Relativ unbemerkt ist Huawei in den vergangenen Jahren in das Business mit E-Autos eingestiegen. Erst mit den Modellen der Marke AITO, später dann zusammen mit dem privaten Autobauer Chery mit der Marke Luxeed. Wie der Name verrät, sind sie damit im Luxussegment der E-Autos unterwegs. Der Luxeed R7 soll am 17. November 2023 im Rahmen der Guangzhou Automobile Exhibition vorgestellt werden. Mit dem Luxeed R7 zielt Huawei gegen den Tesla Y. Mit 259 800 Yuan ist er sogar 9 900 Yuan teurer als der Tesla Y. Freilich wollen auch andere chinesische Marken dem Tesla Y Konkurrenz machen.
Der Technologiekonzern Huawei ist inzwischen also omnipräsent – im Telekombereich, bei Smartphones, bei Software, bei Chips, bei Autos. Wird er zu mächtig? Eine erste zaghafte Stimme wagte sich mit dieser Frage an die Öffentlichkeit; Sun Ninghui, einer der führenden chinesischen Computerwissenschaftler, meldete sich mit einem Video bei Bilibili und warf Huawei monopolistische Tendenzen vor. Sun, der Vorsitzender der China Computer Federation ist, warnte laut South China Morning Post: „From chip manufacturing to software to large AI model to computing power network, it’s best for everyone else not to participate, and [Huawei] will take over everything.” Ist das die Stimme eines Einzelnen – oder steckt bzw. stecken da mehrere dahinter?