EINREISEN I Visum für China? Einfacher als gedacht / Von Imke Vidal

Seit Dezember 2023 besteht für Staatsangehörige von 12 Nationen, auch für Deutsche, die Möglichkeit der visafreien Einreise nach China für Aufenthalte bis zu 15 Tagen. Nach einem ersten Testlauf, der Ende 2024 auslaufen sollte, hat die Volksrepublik diese Praxis inzwischen bis Ende 2025 verlängert. Für bestimmte Reisezwecke und bei Aufenthalten von mehr als 15 Tagen wird aber weiterhin ein Visum benötigt. Aber auch das ist unkomplizierter geworden. Fingerabdrücke werden seit dem 2. September nicht mehr verlangt. Ein Erfahrungsbericht.

Wer derzeit eine Reise nach China plant, die nicht unter die neugewonnene Ausnahme von der Visapflicht fällt, dem bereitet vielleicht schon der Gedanke an den Visaantrag Kopfschmerzen. Man weiß schließlich, wie bürokratisch so etwas sein kann und wie langwierig manchmal die Bearbeitungszeiten sind. Ganz anders habe ich das erlebt, als ich kürzlich mein Visum für einen Forschungsaufenthalt in China beantragte.

Anträge für ein chinesisches Visum werden nicht direkt an der Botschaft eingereicht, sondern beim Chinese Visa Application Service Center. Auf der Homepage wird empfohlen, den Antrag rund vier Wochen vor der Reise zu stellen – keinesfalls jedoch früher.

Im ersten Schritt läuft das komplett digital. Dazu habe ich auf der Seite des Visazentrums ein Konto eingerichtet, das mit einer gültigen E-Mailadresse verbunden sein muss. Dazu musste ich zwar drei oder viermal einen neuen Code zur Verifizierung der E-Mail anfordern, dennoch war es letztlich einfach und schnell erledigt. Einmal auf der Seite des zuständigen Visazentrums eingeloggt, lässt sich das Antragsformular direkt im eigenen Konto ausfüllen und auch online abschicken.

Bei Rückfragen steht das Visazentrum sowohl per E-Mail als auch telefonisch zur Verfügung. Letzteres habe ich testen können. Als in Berlin lebende Deutsche ist zwar das Visazentrum Berlin für meinen Antrag zuständig, ich reise aber in französischem Auftrag an eine sino-amerikanische Uni in China. Das ist nicht unbedingt der Standartfall, für den das Antragsformular designt ist. Am besten lassen sich solche Dinge vorab am Telefon klären. Nur häufig ist es heutzutage gar nicht so einfach, telefonisch noch irgendwo durchzukommen. Ich habe mich jedenfalls auf längere Wartezeiten in der Telefonschleife eingestellt und war eher überrascht, wie schnell ich jemanden am Telefon hatte. Keine KI. Sondern einen Mitarbeiter des Visazentrums, der mir kompetent Auskunft erteilen konnte und all meine Fragen direkt beantwortete. „Schön, dass Sie das alles so gründlich vorbereiten“, sagte er, „aber das benötigen wir alles gar nicht.“

Wie bitte? Ich hatte doch den Leitfaden auf der Webseite gelesen. Und neben den aufgeführten Dokumenten auch den Hinweis ernst genommen, dass selbstverständlich weitere Unterlagen verlangt werden können, wenn dies bei der Prüfung des Antrags notwendig erscheint. Mindestens einen Nachweis über die Finanzierung durch die französische Botschaft dachte ich, zusätzlich einreichen zu müssen. Stattdessen hieß es: „Sie brauchen eigentlich nur das Einladungsschreiben aus China.“

Bereits im Onlineformular ließen sich alle nötigen Unterlagen hochladen. Und das waren in meinem Fall tatsächlich nur eine Passkopie und das Einladungsschreiben. Und schon konnte ich den Antrag online abschicken.

Ab diesem Punkt lässt sich der Status des Antrags jederzeit über das Benutzerkonto einsehen. Ich bekam innerhalb kürzester Zeit die Meldung „approved“. Damit ist die Vorprüfung seitens der chinesischen Botschaft abgeschlossen und man kann die Visagebühr entrichten. Dafür ist dann doch ein persönlicher Besuch im Visazentrum notwendig. Zahlen kann man nämlich nur mit Bargeld oder EC-Karte direkt vor Ort. Überraschend, wenn man bedenkt, wie wenig in China heute noch über Bargeld und Karten läuft.

Wie seit 2019 im chinesischen Visa-Verfahren üblich, wurden von mir noch die Fingerabdrücke erfasst. Vom 2. September bis 31.12.2025 sind aber nun alle Antragsteller auf Visa zu ein- und zweimaliger Einreise von der Abnahme der Fingerabdrücke befreit. Das soll das Antragsverfahren erleichtern, heißt es auf der Homepage des Centers.  Ansonsten wurden mir die Unterlagen, die ich vorsichtshalber doch alle mitgebracht hatte, wieder mitgegeben. Benötigt wird nur der Ausdruck der ersten und der unterschriebenen letzten Seite des Visaantrags, ein Barcode, den man sich ausdrucken kann, sobald der online Antrag auf „approved“ steht, sowie der gültige Reisepass.

An der Kasse erhielt ich einen Abholschein. „Passt Ihnen die Abholung am Freitag?“ wurde ich gefragt. Es passte mir. Und so holte ich vier Tage später meinen Pass samt Visum ab.

Der Besuch im Berliner Visazentrum verlief beide Male überraschend entspannt: Der Empfangstresen verwaist, nur drei Schalter besetzt, keine Schlange, der Automat zum Ziehen der Wartenummer nur noch ein Relikt aus scheinbar längst vergangenen Zeiten. Sowohl bei meinem Besuch zur Bezahlung als auch bei der Abholung war das Visazentrum kaum besucht. Bei meinem ersten Besuch saß ein Agenturmitarbeiter im Wartebereich und erklärte mir, Wartenummern brauche man längst nicht mehr. „Einfach zum Schalter gehen, wenn er frei ist.“

Der einzige Antragsteller, der vor mir am Schalter war, schien die Homepage ähnlich interpretiert zu haben wie ich. Es handelte sich offensichtlich um einen jungen Mann chinesischer Abstammung, er und die Mitarbeiterin am Schalter sprachen Chinesisch. Auch er hatte allerlei Papiere dabei. Den Großteil der Unterlagen, die er in die Durchreiche am Schalter gelegt hatte, bekam er postwendend zurück „zhe xie dou bu xuyao“ (das brauchen wir alles nicht). Und schon war ich an der Reihe…

So einfach kann ein Visaantrag sein. Wenn es politisch gewollt ist.

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