Die Volkszeitung (renmin ribao), das Zentralorgan der KP Chinas, war zwischen dem 4. und 6. September voll von den scheinbar immer gleichen Bildern: Xi Jinping händeschüttelnd mit einem Gast. 51 Staats- und Regierungschefs aus Afrika weilten während dieser Tage in Beijing. Anlass des Aufmarsches war das neunte Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC). Zwei Länder schickten einen Vertreter des Staatschefs. Also waren 53 der 54 afrikanischen Staaten prominent auf dem Forum vertreten (nur das kleine Königreich Eswatini war nicht erwünscht, weil es diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält). Xi Jinping hat damit in diesen Tagen mehr afrikanische Führer getroffen als alle westlichen Regierungschefs zusammen in ihrem gesamten Politikerleben.
Der Gipfel war ein gigantisches Schaulaufen auf dem roten Teppich, umrahmt von vielen bilateralen Gesprächen, dutzenden Unterzeichnungen bilateraler Verträge und einem gigantischen Wellcome Dinner, bei dem alle Delegationen und alle Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros vertreten waren. Bei diesem Dinner sprach Xi Jinping einen Toast aus, in dem er die afrikanisch-chinesische Freundschaft lobte: „True friends always feel close to each other, no matter the distance between them.“ Zehnmal sei er bereits in Afrika gewesen, sagte er bei dieser Gelegenheit.
Er wollte den Eindruck vermitteln: China kümmert sich um Afrika. Seit 2000 gibt es das FOCAC. Damals startete es als ein Ministertreffen. Inzwischen findet das Treffen alle drei Jahre auf höchster Ebene statt, abwechselnd in Beijing und einer afrikanischen Hauptstadt. Die guten Beziehungen zwischen China und Afrika reichen allerdings viel weiter zurück – bis in die 50er Jahre. In der berühmten Bandung-Konferenz anno 1955 wurde die blockfreie Bewegung initiiert. Mit dabei: China in persona des legendären Außenministers Zhou Enlai. China verstand sich damals als Teil der Dritten Welt. Und so versteht sich das Land, inzwischen zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, auch heute noch. So schrieb Xi Jinping in seinen Goldenen Worten an Afrika vor dem FOCAC-Meeting in der Renmin Ribao: „China has always been and will always be a member of the developing world.” Der aktuelle Aussenminister Wang Yi pflichtet ihm, ebenfalls in der Renmin Ribao, bei: “China is the largest developing country, and Africa is the continent with the highest concentration of developing countries.” In diesem Artikel listet Wang Yi auch ausführlich auf, was China in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Afrika geleistet hat: Über 100 000 Kilometer Straßen, über 10 000 Kilometer Schienen, fast 1000 Brücken und nahezu 100 Häfen seien mit chinesischer Hilfe gebaut worden. Aber nicht nur in Steine wird investiert, sondern auch in Köpfe: Rund 25 000 junge Afrikaner studieren in China. In den Schulen von 19 afrikanischen Ländern steht bereits Chinesisch auf dem Lehrplan. In 47 Ländern des Kontinents gibt es 77 Konfuzius Institute.
China investiert, Europa doziert. Die Heidelberger Sinologin Marina Rudyak zitiert im aktuellen Internationale Politik Special eine afrikanische Politikerin: „Wenn wir mit China reden, kriegen wir eine Straße oder einen Flughafen. Wenn wir mit Europa reden, kriegen wir Vorträge.“ Dies ist auch eine Folge der unterschiedlichen Wahrnehmung des schwarzen Kontinents. Nochmals Rudyak: „Während Europa den Kontinent immer noch größtenteils als einen der Armut und der Krisen sieht, ist er für China das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.“
Aber nicht nur Europa, auch die USA engagieren sich nur halbherzig in Afrika. Zwar gab es im Dezember 2022 den U.S. -Africa Leaders Summit in Washington, aber danach verpuffte das Engagement wieder. Paul Nantulya (African Center for Strategic Studies in Washington) sagt, dass afrikanische Führer nicht mal ein Treffen mit dem US-Präsidenten bekämen. Er fordert: „The US really needs to do a better job.“ Sollte gar Donald Trump wieder Präsident werden, wird eher das Gegenteil eintreten. Er titulierte ja in seiner ersten Amtszeit afrikanische Länder als „shitholes“. Nein, der Westen hat Afrika aktuell wenig zu bieten. Anja Blanke (Zeppelin Universität) kommentiert sie in der neuesten Ausgabe des NewslettersChinapolitan, das FOCAC-Treffen habe gezeigt, „wie sehr der Westen in Afrika den Anschluss verloren hat“,
Dabei wären viele afrikanische Staaten durchaus an einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem Westen interessiert. Sie wollen sich nicht entscheiden müssen – China oder der Westen. Aber mangels Angeboten des Westens müssten sie zwangsläufig auf China zurückgreifen und sind dabei auch nicht immer zufrieden. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa artikulierte im Gespräch mit Xi Jinping diese Unzufriedenheit: „We’d like to see more sustainable manufacturing and job-creating investments.” Allzu oft werden die gigantischen Infrastrukturprojekte von chinesischen Baufirmen zum Teil auch mit chinesischen Arbeitern durchgeführt.
Aber diese Megaprojekte sollen künftig nicht mehr die Priorität wie bislang haben. Das lässt sich aus dem Forum on China-Africa Cooperation Beijing Action Plan (2025-27) schließen, der auf der Konferenz verkündet wurde. Stattdessen sollen „kleinere und schönere Projekte“ (Xi Jinping) in Angriff genommen werden, zum Beispiel solche für saubere Energien oder für Maßnahmen im Digitalbereich. Reichlich chinesisches Geld fließt aber auch in den kommenden Jahren nach Afrika. 360 Milliarden Yuan (rund 50 Milliarden Dollar) hat China an Krediten und Finanzhilfen versprochen.
Info:
Hier die Keynote von Xi Jinping bei der FOCAC-Eröffnungszeremonie vom 5. September: https://www.fmprc.gov.cn/eng/xw/zyxw/202409/t20240905_11485607.html?utm_source=substack&utm_medium=email
Und hier der Forum on China-Africa Cooperation Beijing Action Plan (2025-2027): https://www.mfa.gov.cn/eng/xw/zyxw/202409/t20240905_11485719.html