In den vergangenen Wochen erregte ein Foto in den sozialen Medien besonders viele Chinesen. Ein Lieferbote kniet vor einem Wachposten eines Wohnkomplexes, zu dem ihm offenbar der Zugang versperrt wurde. Ein demütigendes, ja entwürdigendes Bild, das wieder einmal den Blick auf die Benachteiligten in der chinesischen Gesellschaft wirft. Diese Delivery Men sind die neuen Kulis der Gesellschaft. Über sie wurde bereits viel geschrieben, und über ihren beschwerlichen Alltag wurden auch Filme gedreht. Sie haben protestiert und demonstriert. Hat sich etwas geändert? Nicht viel. China ist nach wie vor eine zutiefst ungleiche Gesellschaft. Wie kann das sein in einem System, das sich sozialistisch nennt und dessen alleinherrschende Partei das Wörtchen kommunistisch im Namen führt? Deren Führer reden zwar gerne in Schlagworten von „Harmonischer Gesellschaft“ (Hu Jintao) und „Gemeinsamer Wohlstand“ (Xi Jinping), doch die Wirklichkeit sieht eben anders aus. Sozialistische Rhetorik trifft auf kapitalistischen Alltag. Nicht nur die Delivery Men sind unzufrieden. Junge Leute klagen, weil sie keinen Job finden. Und die, die einen Job haben, rebellieren leise in der lying-flat-Bewegung gegen die 996-Ausbeutung (sechs Tage arbeiten von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends). Familien stöhnen über die hohen Erziehungskosten und wollen deshalb keine Kinder oder nur eines. Viele alte Menschen darben mit karger Rente. Das Gesundheitssystem krankt chronisch. China hat über alle Generationen hinweg viele soziale Probleme, die die Führung angehen müsste. Eine sozialistische allemal.
*
Der ein oder andere Leser wird sich über die untenstehende Anzeige der F.A.Z. wundern. Sie ist Teil eines Gegengeschäftes zwischen CHINAHIRN und der F.A.Z.: Ich darf in diversen Newslettern des Frankfurter Blattes werben. Umgekehrt bekommt die F.A.Z. hier einen Banner-Platz, um für den neuen Newsletter F.A.Z. PRO Weltwirtschaft zu werben. Unter Leitung des langjährigen Asien-Korrespondenten Christoph Hein erscheint er künftig jeden Donnerstagmorgen mit aktuellen Berichten aus der globalen Wirtschaft. Er kann drei Monate lang gratis bezogen werden: https://www.faz.net/pro/weltwirtschaft/
Wolfgang Hirn