GESELLSCHAFT I Ein Videospiel erobert China – und die Welt?

Die chinesische Provinz Shanxi erlebt gerade einen Touristenboom. Plötzlich werden die Hauptstadt Taiyuan und diverse Tempel in dieser geschichtsträchtigen Provinz im Nordwesten des Landes besucht. Grund: Diese Orte sind Schauplätze des Computerspiels „Black Myth: Wukong“, das vor wenigen Tagen auf den Markt gekommen ist und innerhalb kürzester Zeit einen Verkaufsrekord nach dem anderen aufgestellt hat. Es ist das erste chinesische Game, das ein AAA-Rating bekommt, was in der Filmwelt dem Status eines Blockbusters entspricht.

Unmittelbar nach dem Verkaufsstart um 10 Uhr am 24. August begann vor allem in China der Run auf das Spiel. Einige chinesische Techfirmen gaben ihren Mitarbeitern einen Tag frei, damit sie das Spiel auf ihrem PC oder ihrer Konsole spielen konnten. Spielsüchtige zogen sich in sogenannte E-Sport-Hotels zurück, deren Belegungsraten nach oben schnellten. In den sozialen Medien war das neue Spiel das große Thema, schließlich sind die Chinesen ein Volk der Gambler. 668 Millionen sollen sich dem Videospiel hingeben, weiß das Online-Unternehmen Sina Weibo. Die Hälfte sind übrigens Frauen. Sie alle warteten sehnsüchtig auf dieses neue Spiel, das bereits seit Jahren angekündigt wurde.

Seit 2018 arbeitete ein Team der Firma Games Science in Studios in Hangzhou und Shenzhen an diesem Spiel. 40 Millionen Dollar soll die Entwicklung gekostet haben. Rechnet man die gewaltigen Promotionkosten hinzu, kommt man unterm Strich auf 100 Millionen Dollar. Die Ausgaben sind längst eingespielt.

Das Spiel basiert auf dem chinesischen Klassiker „Reise in den Westen“. In diesem voluminösen Werk aus dem 16. Jahrhundert spielt der Affenkönig Sun Wukong eine zentrale Rolle. Er begleitet einen Mönch in den Westen, das heutige Indien, um die Schriften Buddhas in die Heimat zurückzubringen. Wukong muss sich auf dieser Reise mit Tigern, Göttern und Geistern im wahrsten Sinne des Wortes herumschlagen.

Auch wenn diese Welt den Menschen im Westen meist fremd ist, fanden viele Kritiker lobende Worte für das Spiel. Zubi Khan vom nordamerikanischen CG Magazine urteilt: „The best action game of the year.“ „Ein sehr gutes Spiel“, sei es, schreibt Denis Gießler in Zeit Online. Und Martin Seng (taz) sieht darin den „Beweis für das enorme Potenzial, das in der chinesischen Spieleindustrie liegt“.

Chinas Spielebranche ist ein bedeutender Industriezweig, aber der Staat hat ihn in den vergangenen Jahren immer mal wieder gegängelt. So wurde 2021 der Spiel-Konsum von Minderjährigen drastisch eingeschränkt. Sie dürfen nur noch drei Stunden pro Woche spielen, und zwar freitags, samstags und sonntags von 20 bis 21 Uhr. Und immer wieder gab es Phasen, in denen von den Behörden keine neuen Spiele genehmigt wurden. Aber dieses Jahr erteilte die National Press and Publication Administration bereits 850 neuen Spielen die Zulassung. Allein im August waren es 117, so viel wie in keinem anderen Monat dieses Jahres.

Der chinesische Markt wird volatil bleiben. Aber was könnte der Erfolg von „Black Myth: Wukong“ für Chinas Spieleindustrie im Ausland bedeuten? Das Marktforschungsunternehmen Niko Partners sieht große Chancen: „It represents the growing capabilities and ambitions of Chinese game development studios and their ability to compete on the global stage.” Ähnlich urteilt das Online-Magazin Sixth Tone: “Black Myth could prove a turning point, paving the way for more high-profile Chinese games in the global market.”

Info:

Hier der offizielle Trailer des Spiels: https://www.youtube.com/watch?v=_mAnlVXtDD8

Ganz klassisch hier der Link zum Buch: Die Reise in den Westen“, übersetzt von Eva Lüdi Kong, Reclam Verlag, 2 Bände, 1319 Seiten, 48 Euro

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