Jedes Jahr um den 1. August wird in der chinesischen Botschaft an der Jannowitzbrücke gefeiert. An jenem Datum im Jahre 1927 wurde nämlich die Volksbefreiungsarmee (VBA) gegründet. Zur 97. Wiederkehr dieses historischen Datums feierte die Botschaft diesmal ein paar Tage früher, nämlich am 24. Juli. Und diesmal stand nicht die VBA im Vordergrund, sondern der Gastgeber, Botschafter Wu Ken (63). Denn der Empfang in der Botschaft war auch seine semi-öffentliche Abschiedsfeier (eine weitere erfolgte am 9. August in der schönen Villa der Handelsabteilung draußen in Pankow). Wu stand vor einem blumenumrankten Pult, hinter ihm die Fahnen beider Länder. Und im Hintergrund ein großes Foto: Wu Ken händeschüttelnd mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Aufgenommen anlässlich der Überreichung von Wus Beglaubigungsschreiben am 27. März 2019.
Wu Ken trat damals ein schweres Erbe an. Sein Vorgänger Shi Mingde (69), der sieben Jahre lang Botschafter in Berlin war und sich fast sein ganzes Diplomatenleben mit Deutschland beschäftigt hatte, war eine Institution in der Hauptstadt. Shi war umgänglich, humorvoll und extrem gut vernetzt. Das zeigte sich unter anderem daran, dass er auch während Kens Amtszeit immer wieder als chinesischer Emissär in Berlin auftauchte, um die deutsche Stimmungslage gegenüber China auszuloten. Die Stimmung hierzulande hat sich während Kens Amtszeit verschlechtert, was nicht an ihm lag, sondern an der Großwetterlage. Während Shi Mingde Botschafter war, wurde China noch als Partner und Wettbewerber betrachtet, unter Wu Ken hingegen zunehmend als Rivale, als systemischer Rivale. Hinzu kam noch die Corona-Pandemie, die die beiden Länder weiter auseinanderdividierte.
Wu Ken sagte bei seinem Abschied, es sei eine Ehre gewesen, der elfte chinesische Botschafter in Deutschland gewesen zu sein. Aber seine Amtszeit war wohl eine der schwierigsten. Ob das Huawei-Verbot, die erstmalige China-Strategie der Bundesregierung, die Uiguren-Problematik – China stand immer häufiger in der Kritik, und Wu Ken musste stets aus der Defensive heraus reagieren. Dazu passt, dass er auf seine letzten Tage noch eine Demütigung erleiden musste. Am Nachmittag des 31. Juli wurde er ins Auswärtige Amt bestellt. Dort habe Staatssekretär Thomas Bagger ein sehr ernstes Gespräch mit ihm geführt, hieß es danach im AA. Grund: Die Cyberattacke auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. Zum ersten Mal seit 1989 wurde wieder ein chinesischer Botschafter ins AA bestellt. Wu Ken wird nach seiner Rückkehr vermutlich einen Posten in der Chinese People‘s Political Consultative Conference (CPPCC) einnehmen.
Sein Nachfolger wird es nicht einfacher haben. Aber wer wird das sein? Am 4. August meldet die South China Morning Post exklusiv: Deng Hongbo (59) wird neuer Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland. Das Blatt lieferte auch gleich eine erste Einschätzung mit: „A seasoned diplomat with decades of US experience.“ Deng hat in der Tat viele Jahre in den USA verbracht. Mehrmals war er dort an der Chinesischen Botschaft im diplomatischen Einsatz, zuletzt als Vize. Und wenn er nicht in Washington diente, war er in der Nordamerika-Abteilung des Außenministeriums – sieht man von einem kurzen Einsatz als Botschafter in Kenia ab. Er sei eine „American hand“ schreibt das Asia Society Policy Institute (ASPI) in New York. Derzeit ist Deng Hongbo stellvertretender Direktor des Büros der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten im ZK der KPCh. In der chinesischen Nomenklatur steht dieses Büro über dem Außenministerium. Deng ist also eine zentrale Figur in der chinesischen Außenpolitik. Dies zeigte sich auch daran, dass er nach dem „Rauswurf“ von Außenminister Qin Gang im vergangenen Jahr auch als einer seiner möglichen Nachfolger gehandelt wurde. Nun wird er aber Botschafter in Berlin. Das zeigt, wie wichtig die chinesische Führung die Beziehungen zu Deutschland nimmt.