POLITIK I Zölle auf chinesische Elektroautos – Wer bremst hier wen?

208 Seiten umfasst das Dokument der EU-Kommission, das am 4. Juli veröffentlicht wurde und einen Handelskrieg zwischen Europa und China auslösen könnte. Die Commission Implementing Regulation 2024/1866 trägt den umständlichen Titel „Imposing a provisional countervailing duty on imports of new battery electric vehicles designed for the transport of persons originating in the People´s Republic of China”. Man kann es auch kürzer formulieren: Die EU erhebt Zölle auf E-Autos aus China. Und zwar seit Mitternacht des 5. Juli. Die Bandbreite der Zölle reicht von 17,4 Prozent (BYD) bis 37,6 Prozent (SAIC). Die Mehrzahl – darunter auch die auf dem deutschen Markt aktiven Firmen Aiways, Great Wall Motor, NIO und Xpeng – zahlt 20,8 Prozent. Die verschiedenen Zollsätze erklären sich vor allem mit der unterschiedlichen Bereitschaft der chinesischen Firmen, bei der Untersuchung mit der EU zu kooperieren. Rund 50 Beamte der EU-Kommission haben ein halbes Jahr lang über 100 chinesische, aber auch ausländische Firmen in China untersucht. 250 Dienstreise-Tage – so EU-Kommissar Valdis Dombrovskis – seien sie unterwegs gewesen. Die Beamten sollten beweisen, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon im Oktober 2023 bei der Ankündigung der Untersuchungen behauptete: Dass chinesische E-Autos staatlich subventioniert würden und deshalb mit Dumping-Preisen den europäischen Markt fluteten. Auf den 208 Seiten haben die Rechercheure ihrer Meinung nach nachgewiesen, dass die Hersteller von E-Autos in China sehr stark von staatlichen Hilfen in verschiedensten Formen profitierten. Deshalb seien die Strafzölle gerechtfertigt, die im EU-Jargon allerdings Ausgleichszölle heißen. Das klingt weniger streng.

Allerdings – und das ist eine ganz wichtige Einschränkung – die Zölle gelten nur vorläufig. Ein endgültiger Beschluss der EU-Kommission soll erst am 24. Oktober bekanntgegeben werden. Bis dahin kann noch einiges passieren. Zum Beispiel kann der EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit (das sind mindestens 15 Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren) das Vorhaben kippen. Die deutsche Regierung – kein Freund dieser Zölle – könnte versuchen, eine solche Mehrheit zu organisieren. Aber es ist fraglich, ob sie diese zusammenbekommt. Vielversprechender ist freilich die andere Alternative: Es soll in den nächsten Wochen und Monaten zwischen Brüssel und Beijing verhandelt werden, um die Zölle und einen möglichen Handelskrieg abzuwenden. Darauf haben sich die EU-Kommission und das chinesische Handelsministerium Mofcom geeinigt. Die deutsche Politik wie die Wirtschaft setzen auf diesen Weg. Robert Habeck sagte am 3. Juli, dass es „Raum für Diplomatie“ gebe. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner fordert: „Wichtig ist jetzt, das Zeitfenster bis zur Einführung permanenter Zölle im Herbst für intensive Gespräche mit Peking zu nutzen.“ Der Verband der Automobilindustrie (VDA) ist etwas deutlicher. In einem Eckpunktepapier vom 3. Juli fordert er: „Die Europäische Kommission sollte auf die angekündigten Anti-Subventionszölle verzichten und eine Verhandlungslösung mit China finden. Entscheidend ist dabei, dass dieser eingeleitete Dialog auch ernsthaft geführt wird.“ Der VDA fürchtet „nicht kalkulierbare Schäden“ und das „reale Risiko einer Eskalation des Handelskonflikts mit China“. Es ist immer wieder von Gerüchten die Rede, dass China als Vergeltung Zölle auf Autos mit mehr als 2,5 Liter Hubraum erheben könnte. Das sind just die Audis, BMWs, Daimlers und Porsches. Das wäre dann der Beginn eines Handelskrieges.

Info:

Das 208-Seiten-Papier der EU Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202401866

Papier des IfW: https://www.ifw-kiel.de/publications/time-to-be-open-sustainable-and-assertive-tariffs-on-chinese-bevs-and-retaliatory-measures-33083/

Das Eckpunktepapier des VDA: https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/2024/240703_PM_Antisubventionsuntersuchung-der-Europ-ischen-Kommission

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