OLD CHINA HAND I Sandra Schulze – neue Geschäftsführerin Bildungsnetzwerk China

So jung ist selten jemand zum ersten Mal nach China gereist. Im zarten Alter von sechs Monaten siedelte Sandra Schulze (43), natürlich in Begleitung ihrer Eltern (und ihres etwas älteren Bruders) nach Beijing über. Ihr Vater arbeitete damals in der DDR-Botschaft, ihre Mutter ebenfalls. Die Botschaft in Sanlitun war lange Zeit auch ihr enges Lebensumfeld in Beijing. Die ersten vier Schuljahre wurde sie in der Botschaft unterrichtet. Mangels Masse wurden die Klassen zusammengelegt. „Wir waren zu sechst in einer Klasse“, erinnert sich Schulze, „es war eine familiäre Atmosphäre“. Ab der fünften Klasse wäre dann eine wichtige Entscheidung zu treffen gewesen: entweder auf die russische Schule in Beijing oder in die DDR zu den Großeltern oder ins Internat. Ein Besuch der Deutschen Schule in Beijing war aus politischen Gründen keine Alternative. Doch die große Politik nahm der Familie Schulz die Entscheidung ab. 1989 kam die Wende und damit das Ende der DDR. Kurze Zeit später zog die ganze Familie zurück nach Berlin ins nun wiedervereinigte Deutschland. Tochter Sandra ging dort zur Schule und begann auch dort zu studieren. Sie liebäugelte mit einem Sinologie-Studium, verwarf jedoch die Idee: „Das war mir zu praxisfern.“ Sie entschied sich für ein Wirtschaftsstudium an der Fachhochschule für Wirtschaft (heute: HWR) in Berlin. Doch ihr China verlor sie nicht aus den Augen. Während des Studiums machte sie 2003 ein halbjähriges Praktikum bei Bertelsmann in Shanghai. Das Verlagswesen sollte dann auch ihre erste berufliche Heimat werden. Sie arbeitete nach dem Studium bei der Gruner + Jahr-Tochter in Dresden, später beim Schweizer Ringier-Verlag in Berlin. Dazwischen absolvierte sie das DAAD-Programm Sprache und Praxis in der VR China, mit dem sie fast zwei Jahre in China verbrachte und unter anderem ihre Sprachkenntnisse verbesserte. „Ich habe ja nie richtig die Sprache gelernt“, sagt Schulze, obwohl sie die ersten zehn Jahre ihres Lebens in China verbracht hat. Mit dem SP-Programm konnte sie nachholen und ihre Lust auf einen Job mit China-Bezug wurde dadurch auch gesteigert. 2011 las sie dann eine Ausschreibung von Berlin Partner, der Wirtschaftsförderung der Hauptstadt. Der damalige Bereich Außenwirtschaft suchte einen Area Manager für China. Da war für sie klar: Das will ich. In dieser Funktion betreute sie chinesische Firmen, die sich in Berlin ansiedeln wollten. Aber sie half auch Berliner Unternehmen, die es nach China zog. 13 Jahre lang setzte sie diese interkulturelle Arbeit um. Damit war sie für die Aufgabe, die sie soeben übernommen hat, prädestiniert. Seit dem 1. Juni ist Sandra Schulze Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks China. Es wurde Anfang 2020 von den Gesellschaftern Stiftung Mercator und Goethe-Institut gegründet, um die Vermittlung von China-Kompetenz an Schulen in Deutschland zu fördern. Inzwischen bietet das Netzwerk verschiedene Formate an (Förderung von chinabezogenen Aktivitäten wie Chinesisch- oder China-AGs, verschiedene Schülerakademien in den Ferien, Fortbildungen und Vernetzungsangebote für Lehrkräfte sowie Lehrmaterialien). Schulze will das Angebot ausbauen. Die deutsche Bildungslandschaft sei noch zu europazentriert, sagt sie. Weil immer weniger junge Menschen Sinologie studieren, käme den Schulen eine wichtige Bedeutung zu, da man dort schon mehr China-Interesse wecken könnte. Schulze will dazu unter anderem den Wissenstransfer zwischen Universitäten mit China-Kompetenzen, zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Schulen ausbauen sowie Formate zur Begegnung zwischen deutschen und chinesischen Schüler und Schülerinnen entwickeln. Die Basis der Finanzierung ist über die Gesellschafter gewährleistet. Es braucht zu der Umsetzung von zusätzlichen Aktivitäten aber auch weitere Finanzierungsmittel. Zu Schulzes Aufgabe gehört deshalb auch das Fundraising. „Wir freuen uns über neue Kooperationspartner“, sagt sie und hofft, dass ihre Beziehungen zur Wirtschaft dabei helfen können. Aber zunächst hat Schulze den bevorstehenden Umzug zu managen. Anfang Juli zieht die zehnköpfige Truppe von den Büros in der Französischen Straße direkt über dem Promi-Speiselokal Borchardt an den Hackeschen Markt um.

Info:

Mehr über das Bildungsnetzwerk China hier: https://bildungsnetzwerk-china.de/

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