Am 23. Mai fand in Jinan, der Hauptstadt der Provinz Shandong, ein interessantes Symposium statt. Xi Jinping traf dort mit Managern und Ökonomen zusammen. Solche Runden finden eher selten statt. Im November 2018 und im Juli 2020 zum Beispiel. Und nun also wieder. Weil sie so selten sind, stehen sie unter besonderer Beobachtung. Themen und Teilnehmer werden von den Auguren genau analysiert. Diesmal waren in Jinan Manager von Unternehmen und Investmentgesellschaften sowie ein paar Wirtschaftswissenschaftler zum Treffen mit dem Parteichef geladen. Neun von ihnen durften vortragen. Unter ihnen waren die Manager Ding Shizhong (Anta Sports), Xu Daquan (Bosch) und etwas überraschend Victor K. Fung (Hong Kong Fung Group). Doch die größere Aufmerksamkeit erzielten zwei der anwesenden Ökonomen: Zhang Bin und vor allem Zhou Qiren. Der 73jährige Zhou war Professor an der Peking Universität (Beida) und gilt als Reformökonom. Zhou verbrachte die Zeit während der Kulturrevolution auf dem Lande im Nordosten. Später studierte er an der Renmin Universität, aber auch in UK (Oxford) sowie in den USA, wo er an der University of California Los Angeles promovierte. Der Economist nennt ihn „an unusual economist“, auch weil er skeptisch gegenüber den Staatsunternehmen eingestellt sei und Zweifel an der Politik der self-reliance hege. Wie Zhou Qiren gehört auch Zhang Bin, der andere vortragende Wirtschaftswissenschaftler, nicht zu den Mainstream-Ökonomen. Zhang, der für die Chinese Academy of Social Sciences (CASS) arbeitet, hat sich unter anderem ausführlich mit Japans verlorenem Jahrzehnt beschäftigt. Manche Ökonomen ziehen ja Vergleiche zwischen dem heutigen China und dem Japan der 90er Jahre (siehe dazu auch den folgenden Artikel über Stephen Roach).
Was die Professoren auf dem Symposium in Jinan gesagt haben, was und wie dort diskutiert wurde, bleibt leider unbekannt. Die Nachrichtenagentur Xinhua meldete lediglich am Tag danach, dass die Atmosphäre „lively and vibrant“ gewesen sei. Ausführlich berichtete Xinhua hingegen über die Rede Xi Jinpings, die er im Anschluss an die neun Statements hielt.
Er sagte: „Reform is the driving force for development“. Und er mahnte: “The relevant parties should carefully study whether the opinions and suggestions put forward at this symposium for further deepening reforms across the board should be adopted.” Er sprach auch mehrmals von den “immediate concerns of the people”, als da wären Jobs, Bildung, Wohnung, Gesundheits- und Altersvorsorge. Reformmaßnahmen, die diese Sorgen der Leute adressieren, sollten angegangen werden.
Nun wird gerätselt, was das alles zu bedeuten hat. Sicher ist: Man muss das Symposium im Kontext des kommenden Dritten Plenums der ZK sehen, das irgendwann im Juli abgehalten wird. Dort werden Weichenstellungen für die Wirtschaft erwartet. Zwei Fragen ergeben sich dabei aus dem Symposium: Wird es wieder zu einer stärkeren Hinwendung zur innovativeren und produktiveren Privatwirtschaft geben? Und wird das soziale Netz ausgebaut, um die Bürger zu entlasten und damit den privaten Konsum anzukurben? Antworten darauf wird es erst nach der mit Hoffnung und Spannung erwarteten Plenumssitzung geben.
Info:
Hier der Xinhua-Artikel über das Treffen in Jinan: https://english.news.cn/20240524/9305165fb12c4fc78990ea78503685f7/c.html