CHINESISCHER ALLTAG I Aus dem Leben eines Delivery Man

Die einen tragen blaue, die anderen gelbe Shirts. Die einen fahren für ele.me, die anderen für Meituan. Das sind die beiden führenden Lieferdienste Chinas. Ihre Fahrer sind aus dem Straßenbild chinesischer Städte nicht mehr wegzudenken. Sie rasen mit ihren Zweirädern auf den Straßen – und auch auf den Gehwegen, sie steigen Treppen rauf und runter. Sie sind immer im Stress. Denn Zeit ist Geld. Wenn dieser abgedroschene Spruch noch Bedeutung hat, dann bei diesen Delivery Men, die Essen (und auch andere Waren) ausfahren. Es ist ein brutal harter Job, den in den Städten des Ostens vor allem Wanderarbeiter aus dem Westen machen. Einer, der für die Gelben (also Meituan) seinen Job in Shanghai ausübt, hat in einem Video auf Douyin erklärt, was er verdient und wie er und seine Familie (Frau und ein Kind) davon leben können. Das Video machte schnell die Runde. Er bekam 366 000 Likes und 94 000 Kommentare. Irgendjemand stellte es dann auch auf YouTube, so dass es auch im Westen zu sehen ist. Der anonym bleibende Fahrer gibt darin detailliert Auskunft über seine Einnahmen und Ausgaben. Pro Fahrt bekommt er sechs Yuan (knapp 80 Cent). 1300 Fahrten machte er in dem Monat, über den er Rechenschaft ablegt. Sein Verdienst betrug also 7800 Yuan (knapp 1000 Euro).  Davon muss man zunächst jeweils 200 Yuan abziehen, die er für die Reparatur seines Bikes und als Entschädigung für die Lieferung eines beschädigten Kuchens bezahlen musste. Bleiben also noch 7400 Yuan. Mit 2600 Yuan (330 Euro) muss er monatlich seinen Immobilienkredit bedienen, denn vor neun Jahren hat er eine Wohnung gekauft. 14 Jahre muss er noch abzahlen. 2000 Yuan überweist er jeden Monat nachhause, damit Frau und Kind versorgt sind. 1000 Yuan (128 Euro) zahlt er für seine bescheidene Unterkunft, die nur aus einem Bett besteht. Für das tägliche Essen, meist nur sattmachende Teigtaschen, kalkuliert er 20 Yuan (2,50 Euro). Als „Luxus“ gönnt er sich Zigaretten, die günstigsten natürlich – 10 Yuan die Schachtel. Dafür hat er im Monat rund 300 Yuan einkalkuliert. Kleidung kauft er nicht. Er hat zwei Uniformen, die er abwechselnd trägt. Dank dieser spartanischen Lebensweise schafft er es noch, 600 Yuan (76 Euro) zu sparen. Ob er mit diesem Leben zufrieden sei, wird er in dem Interview zum Schluss gefragt. Seine Antwort: „Warum sollte ich unglücklich sein? Ich habe keine andere Wahl.“

Info:

Hier der Artikel in Pekingnology mit dem Video und dem ins Englische übersetzten Interview: https://www.pekingnology.com/p/life-as-a-migrant-food-delivery-rider

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