Um Marco Polo, dem posthumen Namensgeber dieser kleinen Rubrik, ranken sich viele Gerüchte und Geschichten. War er überhaupt in China? Und wenn, was hat er dort gemacht? War er wirklich am Hofe des Kublai Khan? In China befasst sich Rong Xinjiang, Geschichtsprofessor an der Peking Universität (Beida) mit diesen Fragen. Seit 2011 arbeitet er mit einem Team an einer neuen Übersetzung der „Reise des Marco Polo“ ins Chinesische. Das Werk wird aber nicht nur eine Übersetzung beinhalten, sondern auch viele Erläuterungen und historische Einschätzungen. Darüber sprach Rong soeben mit dem Online-Magazin Sixth Tone. Dabei geht er natürlich auch auf die Frage ein, ob Marco Polo überhaupt in China war. Er sagt: „The mainstream view in academica is that Marco Polo did indeed visit China.“ Er erwähnt dabei das 2012 erschienene Buch von Hans Ulrich Vogel „Marco Polo war in China“. Marco Polo sei von seiner Heimatstadt Venedig über den Iran, Zentralasien, das Tarim-Becken und den Hexi-Korridor nach Dadu (dem heutigen Beijing) gereist, wo er auch den herrschenden Kublai Khan getroffen habe. Allerdings finden sich keine offiziellen Dokumente darüber, dass Marco Polo am Hofe tätig war. Diese Tatsache verleitete Autoren wie die britische Historikerin Frances Wood zumindest zu der Frage „Did Marco Polo Go to China?“ – so der Titel ihres 1995 erschienenen Buches. Rong erklärt die fehlenden Dokumente mit dem Hinweis, dass Marco Polo keine formale offizielle Position am Hofe des Kublai Khan innehatte. Er sei vielmehr ein „ortoq“ gewesen. So nannte man eine spezielle Kaufmannschaft während der Yuan-Dynastie. Das Werk von Rong und seinem Team ist die umfassendste Aufarbeitung der Reise des Marco Polo aus chinesischer Sicht. Sie wird wohl sechs bis sieben Bände umfassen. Wann diese erscheinen, konnte und wollte Rong in dem Interview nicht sagen.
Info:
Das Interview mit Rong Xinjiang in Sixth Tone kann man hier nachlesen: https://www.sixthtone.com/news/1015007