POLITIK I Der lange Marsch durch Mittelamerika

Quito, Hauptstadt von Ecuador. Von hier aus geht für viele Chinesen der lange Marsch ins Ungewisse los. Warum gerade Ecuador? Weil Chinesen dort visumfrei einreisen können. Über Kolumbien, Panama und Mittelamerika schlagen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes bis an die Grenze zu den USA durch. 37 000 Chinesen sind dort im vergangenen Jahr angekommen und haben um Asyl gebeten. „What I find most remarkable in these figures is the speed with which the number of Chinese migrants is growing,” schreibt Meredith Oyen, Migrationsforscherin an der University of Maryland, in Asia Times. Das waren zehnmal so viel wie 2022. Wie ist dieser Anstieg zu erklären? Victor Shih von der UC San Diego wundert sich gegenüber CNN etwas: „It’s striking that so many are making this perilous journey to South America and up to the US when politically the country is very stable. It suggests that a significant segment of the population is in economic dire straits.” Letzteres vermutet auch Meredith Oyen. Sie nennt drei Gründe, warum Chinesen emigrieren: Die schwächelnde Wirtschaft Chinas mit der einhergehenden (Jugend-)Arbeitslosigkeit, die verstärkte politische Kontrolle und „easy access to online info how to make the trip“. In der Tat kursieren im Internet viele Tipps über die „zou xian“ (走线), die Route durch die Americas. Ausgangspunkt ist – wie gesagt – Quito. Dort hat sich bereits eine Infrastruktur für die chinesischen Flüchtlinge etabliert. Am Flughafen stehen schon die Schleuser, die für viel Geld ihre Dienste anbieten. Zwischen 9000 und 12 000 Dollar müssen derzeit für die komplette Tour von Ecuador über Kolumbien, Panama, die mittelamerikanischen Staaten und schließlich Mexiko bezahlt werden. Die gefährlichste Passage ist der berühmt-berüchtigte Darién Gap, ein Stück dichter Regenwald in Panama. Manche Strecken werden mit einem Boot zurückgelegt. Aber auch die Fahrten auf dem Wasser sind nicht ungefährlich. Kürzlich wurden acht tote Chinesen an einem mexikanischen Strand entdeckt. Trotz dieser Strapazen nehmen immer mehr Chinesen diese Tortour auf sich. Ihr großes Ziel ist die US-Grenze, die sie meist über die Baja California südlich von San Diego erreichen, um dann einen Asylantrag zu stellen. Die Chance, dass ihnen Asyl gewährt wird, ist hoch, viel höher als für andere Nationalitäten. Häufig begründen sie ihre Flucht aus China mit politischer Unterdrückung und auch religiöser Verfolgung. Immerhin 55 Prozent der chinesischen Asylanträge sind erfolgreich. Doch inzwischen hat sich in Washington politischer Widerstand gegen die chinesischen Asylanten gebildet. Dem republikanischen Abgeordneten Mark Green fiel auf, dass unter ihnen sehr viele „military-age men“ seien. Für ihn sind sie Spione. Deshalb hat er mit den Abgeordneten Marco Rubio und Troy E. Nehls im vergangenen Jahr schon mal den „No Asylum for CCP Spies Act“ eingebracht, der aber noch nicht Gesetz geworden ist.

Info:

Meredíth Oyen in Asia Times: https://asiatimes.com/2024/03/tenfold-surge-in-chinese-migrants-at-us-southern-border/

Ein Video von VoA: https://projects.voanews.com/china/runners-without-borders/english/video/chapter-2.html

Text und Bild über den Fluchtweg durch den Darien Gap: https://www.cfr.org/article/crossing-darien-gap-migrants-risk-death-journey-us

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