Das Ergebnis fiel mit 352 zu 65 überraschend deutlich aus. Mit großer Mehrheit brachte das amerikanische Repräsentantenhaus ein Gesetz auf den Weg durch das politische Washington, an dessen Ende ein Verkauf des Kurzvideodienstes TikTok stehen könnte. TikTok – das weiß inzwischen fast jeder – gehört dem chinesischen ByteDance-Konzern, hat aber seine beiden Headquarters in Los Angeles sowie Singapur und wird von einem Singapurianer geführt (siehe HU IS HU in dieser Ausgabe). Aber wer eine chinesische Mutter hat wie TikTok, ist schon mal per se verdächtig. Dem Unternehmen wird aufgrund seines Eigentümers vorgeworfen, Daten seiner Kunden zu missbrauchen und möglicherweise nach China zu transferieren, die Wahlen in den USA durch gefälschte Videos zu manipulieren usw. usw. Beweise hierfür gibt es bislang nicht, sondern nur Verdächtigungen.
Für Stephen Roach, ehemaliger Investmentbanker und jetzt an der Yale Law School lehrend, ist der Angriff auf TikTok Teil einer amerikanischen Sinophobie, wie er soeben in einem Beitrag für Project Syndicate schrieb. Diese Sinophobie habe sich über Jahre aufgebaut. Sie habe mit dem Verbot von Huawei angefangen: „The US has since spiralled into full-blown outreach of Sinophobia – a strong word that I don‘t use lightly.” Weitere „Opfer“ seien chinesische Hafenkräne, E-Autos – und nun eben auch TikTok.
Wie geht es nun weiter im Falle TikTok? Nach dem Repräsentantenhaus muss noch der Senat zustimmen. Dort ist eine Mehrheit noch nicht gesichert. Vor allem einige Demokraten stellen ein paar grundsätzliche Fragen: Warum nur eine „Lex TikTok“, da es doch auch noch andere soziale – auch amerikanische – Medien gebe, die manipulieren könnten? Und ist das nicht ein Angriff auf die Meinungsfreiheit? Sollte das Gesetz aber durch den Senat gehen, muss es Joe Biden noch unterschreiben. Dass er das tun wird, hat er bereits angekündigt. Selbiger Joe Biden, dessen Wahlkampfteam auf TikTok einen Account eingerichtet hat, um PR für den Kandidaten Biden zu machen.
Der andere ältere Kandidat hat übrigens eine bemerkenswerte Kehrtwende in Sachen TikTok vollzogen. Unter seiner Amtszeit war Donald Trump ein strikter Gegner von TikTok. So verfügte er im August 2020 eine sogenannte Executive Order, wonach ByteDance seine Tochter TikTok innerhalb von 90 Tagen verkaufen müsse, am liebsten natürlich an ein amerikanisches Unternehmen. Es gab wohl auch Gespräche mit Microsoft, Oracle und Walmart, aber sie alle führten zu keinem Ergebnis. Als schließlich auch US-Gerichte Trumps Anweisung kassierten, gab es zunächst Entwarnung für TikTok. Nun hat der wendige Trump seine Meinung geändert. Gegenüber CNBC sagte er: „There are a lot of young kids on TikTok, who will go crazy without it.” Diese Einsicht hat vor allem wahltaktische Gründe. Viele der 170 Millionen amerikanischer TikTok-User sind junge Menschen im wahlfähigen Alter. Sie werden sicher nicht denjenigen Kandidaten wählen, der ihnen eines ihrer Lieblingsspielzeuge wegnehmen will.
In Erwartung, dass das Gesetz schließlich durchgehen wird, bilden sich schon die ersten Käufer-Konsortien. Trumps ehemaliger Finanzminister und jetzige Investmentbanker Steven Mnuchin hat schon mal Interesse bekundet: „It’s a great business and I‘m going to put together a group to buy TikTok”, sagte er gegenüber dem Sender CNBC. Wenn er und all die anderen – noch unbekannten – Interessenten da nicht mal die Rechnung ohne den chinesischen Wirt machen. Denn in Beijing wurde jüngst ein Gesetz verabschiedet, wonach die Regierung beim Verkauf von Firmen an Ausländer ein Veto einlegen kann. Und nach allem, was man hört, wird Beijing einem Verkauf von TikTok an US-Investoren nicht zustimmen.
Info:
Die TikTok-Bill im Wortlaut: https://www.congress.gov/bill/118th-congress/house-bill/7521
Der Beitrag von Stephen Roach bei Project Syndicate: https://www.project-syndicate.org/commentary/united-states-experiencing-virulent-sinophobia-outbreak-by-stephen-s-roach-2024-03
Hier ein interessantes Inside-Video mit Ray Cao, der bei TikTok Global Head of Product Strategy ist: