YOUNG CHINA HAND I Philipp Neumann – erst Serien-Entrepreneur, jetzt festangstellt

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Young China Hand vorgestellt: Philipp Neumann (33).

Philipp Neumann ist erst 33 Jahre alt, hat aber schon 14 Jahre China-Erfahrung. Schon nach dem Abitur wusste der junge Mann aus Langenau bei Ulm, dass er etwas mit Asien machen will. Die Region hat ihn bereits in jungen Jahren fasziniert. „Vielleicht, weil ich mit meinen Eltern viel auf Reisen war, auch in Asien“, sinniert er. So ging er in seinem Freiwilligenjahr unmittelbar nach dem Abitur für fünf Monate in ein Waisenhaus nach Nepal. Eine zweite Station war in Vietnam vorgesehen, doch dieser Aufenthalt wurde kurzfristig gecancelt. China hatte Neumann damals noch nicht auf dem Schirm. „Aber durch eine Freundin wurde ich auf eine Webseite aufmerksam gemacht, die Praktika in China vermittelte.“ So verbrachte er ein paar Monate in Beijing. Dieser Aufenthalt hat ihm so gut gefallen, dass er beschloss, Chinesisch und Politikwissenschaft zu studieren. Das tat er 2011 an der SOAS in London, weil er während seiner Beijinger Zeit einige SOAS-Absolventen kennengelernt hatte, die ihm nur Positives erzählten. Schon im zweiten Jahr an der SOAS muss man zwecks Vertiefung der Sprachkenntnisse ins Ausland. Neumann verbrachte dieses Jahr an der Beijing Normal University. Zudem machte er während seines Bachelor-Studiums immer wieder Praktika in Beijing. Dort traf er Freunde, die ähnlich unternehmerisch dachten wie er. Und so gründete er mit diesen noch während seines letzten Studienjahres 2014 die Firma Eplus Study mit Sitz in Beijing, die im Studentenaustausch zwischen China und vor allem Großbritannien beratend tätig war. Dabei arbeitete er eng mit der Tsinghua Universität zusammen. Doch nach zwei Jahren wurde ihm der Einfluss von Tsinghua zu groß. „Ich wollte meine eigene Bildungsfirma machen“, sagte er. 2017 gründete er zusammen mit Partnern ein neues Unternehmen in Beijing: Read Smart. Die Idee dahinter: Eltern kommen mit ihren Kindern zum Englischlernen in die Räumlichkeiten von Read Smart. Während die Kinder unterrichtet werden, sitzen die Eltern im Café oder in der Bücherei.  Parallel dazu stieg Philipp Neumann noch in ein weiteres Unternehmen ein: Bodensee Kitchen, ein Restaurant mit bayerischen und schwäbischen Spezialitäten. Es lag auf der ersten Etage über dem Café Konstanz im Chaoyang-Bezirk. Neumann war also keine 30 Jahre alt, als er schon drei kleine Unternehmen (mit)gründete. Hat er einen entrepreneurial spirit? Er antwortet: „Ich hatte schon immer eine gewisse Abenteurlust und wollte gewisse Dinge einfach anders machen. China war der perfekte Ort, dies auszuleben.“ Doch der Jung-Unternehmer lernte auch die Schattenseiten der Selbständigkeit kennen. Dass man doch nicht so frei und von Entwicklungen abhängig ist, die man nicht beeinflussen kann. So traf die Entscheidung der Regierung, Nachhilfeunterricht für Schüler rigoros einzuschränken, seine Firma Read Smart ziemlich unverhofft. Und Covid führte letztendlich auch zum Aus des Restaurants Bodensee Kitchen: „Das letzte Jahr in Beijing war sehr hart. Wir hatten zwei Soft-Lockdowns.“ Zu dem Zeitpunkt war Neumann nur noch Teilhaber des Restaurants. Er hatte sich inzwischen einen Job gesucht – diesmal nicht als Unternehmer, sondern als Angestellter. „Ich habe meine Karriere sozusagen auf den Kopf gestellt.“ Nach einem kurzen Intermezzo beim German Centre stieg er 2021 beim chinesischen Unternehmen AppInChina ein. Dieses hilft ausländischen Unternehmen, sich in der chinesischen Online-Welt zurechtzufinden, sei es durch Apps, Webseiten oder WeChat Miniprogramme. Er ist dort inzwischen Vertriebschef, der über 300 Kunden betreut – darunter auch deutsche Markenartikler wie Miele oder Vorwerk. In diesem Job kann er auch remote arbeiten. So war er im vergangenen Sommer drei Monate in der schwäbischen Heimat. Er sagt: „Ich bin total flexibel. Es ist ein Traumjob.“ Zum Traumjob kam in Beijing auch noch die Traumfrau. Seit kurzem ist er mit einer Koreanerin verheiratet. Klar, dass er deshalb keine Umzugspläne hegt: „Jetzt bleibe ich erstmal hier in Beijing.“

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