Inzwischen weiß jeder, dass der Immobiliensektor das große Sorgenkind der chinesischen Wirtschaft ist. Ein Viertel des Bruttosozialprodukts des Landes wird in diesem Sektor direkt und indirekt erwirtschaftet. Doch viele Bauprojekte werden mangels Geldes nicht zu Ende gebaut. Waren es früher Baukräne, die das boomende China dokumentierten, so sind es heute Bauruinen, unfertige Gerippe aus Beton und Stahl, die das neue China zeigen. Viele Bürger sind besorgt bis entsetzt, dass ihre Wohnungen nicht fertiggestellt werden. Lange Zeit schaute die Regierung eher untätig zu. Doch im Herbst wies sie die Zentralbank an, Maßnahmen gegen die Misere am Bau zu ergreifen. Am 17. September lud die Zentralbank Finanz- und Börsenaufsichtsbehörden ein, um mögliche Wege aus der Krise zu finden. Ergebnis war eine sogenannte „Weiße Liste“. Auf ihr sollen 50 Immobilienunternehmen stehen, denen geholfen werden soll. Die Hilfe soll vor allem aus der Vergabe günstiger Kredite bestehen, notfalls – und das ist ein Novum – können sie auch ungesichert vergeben werden.
Ende des Jahres hat das Ministerium für Bauwesen diese 50er Liste finalisiert. Doch wer auf dieser Liste steht, wurde bislang nicht veröffentlicht. Aber immer wieder sickerten Namen durch. Vor allem börsennotierte Unternehmen wie zum Beispiel Country Garden oder die Longfor Group hatten ein großes Interesse, dass ihr Name dort auftaucht, denn das treibt ihren Aktienkurs nach oben. In einer Stellungnahme von Country Garden gegenüber der South China Morning Post heißt es: “[Inclusion in the] whitelist will help to ease financial pressure on our part, promote housing delivery, allow us to better capitalise on our assets and enhance the projects’ sustainability.” Eine Aufnahme in die Liste ist allerdings kein Freibrief für die Immobilienunternehmen. Sie müssen Projekt für Projekt nachweisen, welches sie in welcher Zeit vollenden können, sollten sie einen neuen Kredit bekommen. Außerdem müssen sie eine Bank benennen, die dieses Projekt begleitet und quasi überwacht.
Durchgezogen wird das Programm der weißen Liste auf Provinz- und kommunaler Ebene. Das zentrale Ministerium für Bauwesen hat die lokalen Regierungen aufgefordert, zusammen mit den Immobilienunternehmen entsprechende Projektlisten aufzustellen. Über den Fortschritt kursieren unterschiedliche Zahlen. Economic Information Daily schreibt, dass in 13 Städten und Provinzen insgesamt 1749 Projekte ausgewählt wurden, das Wall Street Journal berichtet hingegen von über 3000 Projekten in 26 Provinzen. Kritisch über die weiße Liste und deren Umsetzung äußert sich Caixin. Das stets gut informierte Wirtschaftsblatt zitiert anonyme Quellen aus dem staatlichen Bankensektor. „Everybody is confused“, sagt ein Banker. Ein anderer spricht davon, dass das Programm „bislang nur auf dem Papier“ bestehe. Sorgen bereitet den Banken, nach welchen Kriterien sie die neuen Kredite vergeben sollen. Dabei kann das Programm eh nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Bauruinen sein. Denn insgesamt beträgt die Finanzierungslücke im chinesischen Immobiliensektor rund 410 Milliarden Euro.