WIRTSCHAFT I Sauberes China – der Boom der “Drei Neuen”

Ein neues Schlagwort macht in China die Runde: xin san yang (新 三 样), wobei das Zeichen yang (eigentlich: Muster, Modell, Art) in dem Zusammenhang nur schwer zu übersetzen ist. So spricht man in der englischen Übersetzung oft nur von „The New Three“ – den drei Neuen – und meint damit die drei folgenden Cleantech-Branchen: Solarzellen, Batterien und Elektroautos. In diesen Bereichen ist China in den vergangenen Jahren zur führenden Nation aufgestiegen und beherrscht auch inzwischen in unterschiedlicher Intensität den Weltmarkt. Am deutlichsten ist das bei den Solarzellen, wo China einen Weltmarktanteil von über 80 Prozent hat. Bei Batterien sind es 50 Prozent, bei E-Autos immerhin schon 20 Prozent. Wie konnte es zu dieser dominierenden Stellung Chinas in der für den Klimawandel so wichtigen Branchen kommen? Die Londoner Umweltjournalistin You Xiaoying nennt in ihrem Beitrag „The new three: How China came to lead solar cell, lithium battery and EV manufacturing” mehrere Gründe: Erstens die kontinuierliche Unterstützung durch die Regierung, die schon früh auf erneuerbare Energien setzte. You schreibt in ihrem Beitrag für China Dialogue: „The surge of the trio has been a long time coming.“ Schon 2005 wurde ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Zwei Jahre später folgten das National Climate Change Programme und der Mid- to Long-Term Development Plan for Renewable Energy. In jener Zeit begann man auch schon mit dem Aufbau einer Lieferkette. Man eruierte, welche Rohstoffe man für diese Cleantech-Industrien benötigte. Besonders konsequent ist das den Chinesen in der Solarindustrie gelungen: „From raw materials to the last components China´s solar sector has an integrated industry chain“, wird Li Dan, China Circular Economy Assocation zitiert. Ein weiterer Pluspunkt für China ist dessen massiver Heimatmarkt, der economies of scale ermöglicht. Li Shuo, ehemals bei Greenpeace East Asia, sagt: „The Chinese market is very big – This means China cannot only produce a lot, but also consume many of them internally.” Produktion und Verbrauch schaukeln sich gegenseitig hoch. Außerdem sind die chinesischen Unternehmen gerade bei erneuerbaren Energien bereit, permanent zu innovieren (siehe hierzu auch den Beitrag „STUDIE I Green Tech“ in dieser Ausgabe).Chinas Aufstieg in diesen drei Cleantech-Industrien Solar, Batterien und E-Autos ist also nicht nur – wie viele Politiker in Brüssel und Berlin gerne verkünden – auf staatliche Subventionen zurückzuführen (was nebenbei bemerkt, Europäer und Amerikaner ja auch tun), sondern basiert auf einer frühzeitig formulierten Strategie, die dann ziemlich konsequent umgesetzt wurde.

Inzwischen sind diese grünen Industrien der Treiber des chinesischen Wachstums geworden. Fast die Hälfte des Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahr ist den Cleantech-Industrien zu verdanken. Das schreibt Lauri Myllyvirta im Carbon Brief „Clean Energy was top driver of China´s economic growth of 2023”.  Ohne die Investitionen in die sauberen Industrien wäre Chinas Wirtschaft 2023 nur um drei Prozent statt der tatsächlichen 5,2 Prozent gewachsen.  Myllyvirta analysiert: “The clean-energy investment boom in 2023 is the outcome of a major pivot in China’s macroeconomic strategy: Investment flowed from real estate into manufacturing – primarily in the clean-energy sector.”

Der Boom hat allerdings Überkapazitäten zur Folge, was wiederum zu einem Preisverfall führte. Bei Solarpanels fielen laut Carbon Brief die Preise im vergangenen Jahr um 42 Prozent, bei Batterien um rund 50 Prozent.  Und auch bei den E-Autos tobt derzeit ein heftiger Preiskampf. Das freut die Verbraucher und auch die Umwelt, denn nun können viele günstige Solarpanels installiert werden. Weniger begeistert sind freilich die Hersteller in anderen Ländern. Im Net Zero Weekly des Beijinger Beratungsunternehmens Trivium heißt es: “China´s leading solar manufacturers are now so dominant that weaker foreign competitors can simply no longer compete on scale or cost.” In ihrer Not rufen die nicht-chinesischen Hersteller – so auch die deutschen – nach dem Staat. Die Politiker in diesen Ländern stecken dabei in einem Dilemma, das Lauri Myllyvirta so beschreibt: “Other countries therefore face a choice of whether they want to benefit from the low-cost supply of solar panels, batteries, EVs and other clean-energy technology from China. The alternative is diversifying their supply and paying the cost of building new supply chains, in the form of subsidies and import tariffs required to enable domestic producers or producers in third countries to compete against Chinese suppliers. Such efforts would further increase supply and push down global prices even further.”

Info:

Hier der Beitrag von Lauri Myllyvirta im Carbon Brief vom 25. Januar:

Und hier der Artikel von You Xiaoying in China Dialogue vom 7. November 2023:

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