HU IS HU? Wolfgang Franke, einer der großen deutschen Sinologen

Es gibt in der deutschen Sinologie eine kleine Dynastie – die Franke-Dynastie. Otto Franke war der Nestor der deutschen Sinologie. Nachdem er Ende des 19. Jahrhunderts lange Jahre im Auftrag des deutschen Kaiserreichs Dolmetscher in Beijing, Tianjin, Shanghai und Amoy (heute: Xiamen) war, gründete er 1910 am Kolonialinstitut der Freien und Hansestadt Hamburg den ersten deutschen Lehrstuhl für Sprachen und Geschichte Ostasiens. Kurz danach – 1912 – wurde sein Sohn Wolfgang geboren, der ebenfalls Sinologe wurde. Dessen Vita haben nun Stefan Messingschlager (Helmut-Schmidt -Universität) und Antje Platzek in einem Cross Asia Themenportal mit dem Titel „Im Banne Chinas“ nachgezeichnet. Darin werden viele Bilder und Briefen aus dem wissenschaftlichen und privaten Nachlass von Wolfgang Franke präsentiert.

Er wuchs in einer Villa an der Hamburger Außenalster auf. In seinen Erinnerungen schreibt er: „Das Haus war voll von chinesischen Möbeln und anderen chinesischen Dingen: Im Salon waren chinesische Porzellane und andere Kleinkunst-Erzeugnisse ausgestellt, im Flur standen schöne Cloisonné-Vasen und Teller; in meines Vaters Arbeitszimmer waren zahlreiche Regale mit chinesischen Büchern (Blockdrucken). Bei Tisch und auch sonst wurde viel über China gesprochen, wo die Eltern die ersten Jahre ihrer Ehe verbracht hatten. Oft kamen chinesische Besucher ins Haus.“

Als sein Vater 1923 an den sinologischen Lehrstuhl der Friedrich-Wilhelms-Universität berufen wurde, siedelte die Familie nach Berlin um. Nach seinem Abi am Grunewald-Gymnasium begann er mit dem Studium der Sinologie. Da war selbst der Vater sprachlos, denn diese Entscheidung sei „ohne jede Einmischung von meiner Seite und mir zur großen Überraschung“ gefallen. Sohn Wolfgang studierte erst in Berlin, 1934 wechselte er nach Hamburg, wo er auch später über den Reformer Kang Youwei promovierte. Schnell erfüllte sich sein Traum, wie sein Vater nach China zu gehen. 1937 zog er nach Beijing, wo er Sekretär am Deutschland-Institut wurde, das 1931 zur Förderung des deutsch-chinesischen Kulturaustausches gegründet worden war.   Er blieb dort bis 1950. 80 Briefe schickte er aus Beijing an seine Familie. Eine Auswahl ist hier abgedruckt. Während seiner Beijinger Zeit knüpfte Franke viele Kontakte zu chinesischen Wissenschaftlern, und er lernte dort auch seine Frau Hu Chunyin kennen. Gemeinsam siedelten sie 1950 nach Hamburg über, denn Franke wurde auf einen Lehrstuhl an der Uni Hamburg berufen. Dort wurde er Direktor des Seminars für Sprache und Kultur Chinas, was er bis 1975 blieb. „Im Gegensatz zur großen Mehrheit der deutschen Sinologie der 1950er bis 1970er Jahre war Wolfgang Frankes Schaffen durch eine dezidierte Hinwendung zum modernen China geprägt“, schreiben Messingschlager und Platzek. Hamburg spielte bei der Forschung und Lehre des modernen China lange Zeit eine Vorreiterrolle. Dies zeigte sich auch in Frankes persönlichem Forschungsschwerpunkt. Lag dieser früher bei der Ming-Dynastie, so beschäftigte er sich seit Ende der 1960er Jahre mit den Auslandschinesen, vor allem im südostasiatischen Raum. Im Zuge dieser Recherche wurde Malaysia zu seiner zweiten Heimat. Dort lebte er nach dem Tod seiner Frau 1988, ehe er als 90jähriger zu seiner Tochter Renate Fu-sheng Franke nach Berlin zog, wo er 2007 starb.

Info:

Das Dossier „Im Banne Chinas“ von Stefan Messingschlager und Antje Platzek kann man hier lesen:

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