CHINAHIRN trifft Christian Y. Schmidt – Radfahrer auf dem Langen Marsch

Christian Y. Schmidt kommt an diesem kalten, windigen Tag kurz vor Weihnachten mit dem Rad zu unserem Treffen, das im chinesische Lokal Lao Xiang im Prenzlauer Berg stattfindet. Er muss ja in Übung bleiben. Bis vor wenigen Tagen war er noch mit dem Rad in China unterwegs. Zusammen mit Volker Häring ist Schmidt auf den Spuren des Langen Marsches, in dem auch der deutsche Otto Braun mitlief (siehe CHINAHIRNLexikon). Allerdings pilgern sie auf diesem legendären Pfad nicht zu Fuß, sondern per Fahrrad. Aber auch mit diesem Hilfsmittel der Fortbewegung sind rund 7000 Kilometer eine ambitiöse Strecke. Den ersten Teil – exakt 2668,1 Kilometer – haben sie hinter sich. Und nun gönnen sie sich eine Pause. Häring verbringt sie mit seiner Familie unter Palmen im indischen Goa, Schmidt unter einer hartnäckigen Wolkendecke in Berlin.

Im Lao Xiang erzählt mir Christian Y. Schmidt von der ersten Etappe, wie er es nennt. Sie bestand aus 39 Tagesetappen im Süden und Südwesten Chinas. Die längste 104 Kilometer, die kürzeste 24,8 Kilometer. Anfangs strampelten sie bei milden 20 bis 25 Grad. Die härteste Etappe absolvierten sie bei strömenden Regen und 5 Grad. Was Schmidt auf der Strecke verblüffte: Die vielen Wälder. „In den Provinzen Guangxi und Guizhou sind wir tagelang durch (junge) Wälder gefahren.“ Und noch etwas fiel ihm auf: „Wie systematisch das Land entwickelt wurde! In den Dörfern mehrstöckige Häuser, selbst im letzten Kaff. Dann wieder Häuser, die alle gleich aussehen. Das sind Projekte der Armutsbekämpfung.“

Häring und Schmidt sind mit einem Pedelec unterwegs, das über einen Elektromotor verfügt, der den Radler beim Strampeln unterstützt. „Das ist schon eine Erleichterung, aber immer noch sehr anstrengend“, sagt Schmidt, „vor allem, wenn man steile Berge hochfährt.“ Der wesentlich sportlicher und jüngere Häring verniedlichte sie manchmal als Hügelchen. Das nervte den 67jährigen Schmidt (ich hatte ihn in meinem letzten Beitrag zum 70jährigen altern lassen) manchmal. Aber abseits solcher Sticheleien harmonisierte das Rad-Tandem. Der chinesisch sprechende Häring organisierte jeweils zwei, drei Tage vor Ankunft via dem Onlineportal Ctrip die Hotelzimmer. Die Preise hierfür lagen in diesen Gegenden oft nur bei 12 bis 14 Euros. Probleme hatten sie selten. Einmal schickte sie das Hotel zum örtlichen PSB Office. Ein anderes Mal verweigerten in einer Stadt gleich drei Hotels die Übernachtung. Das ganze County ist wohl für Ausländer gesperrt, weil dort offenbar ein Teil der chinesischen Atomwaffen lagern.

Ansonsten begegnete den beiden – so Schmidt – „enorme Freundlichkeit“. In einigen Restaurants mussten sie manchmal nicht bezahlen. Aus vorbeifahrenden Autos wurde ihnen oft anerkennend ein hochgestreckter Daumen gezeigt. Manche Fahrer hielten an, um sie zu fotografieren. Schmidt amüsiert: „Früher haben die Ausländer die Chinesen fotografiert, jetzt ist es umgekehrt.“ Gleichwohl haben Schmidt wie Häring viele Fotos gemacht, Videos gedreht und Notizen gemacht, schließlich ist das der Stoff für ihr – im Ullstein-Verlag erscheinenden – Buch über diese irre Reise, das 2025 erscheinen wird. Der Titel steht schon fest: „So weit die Füsse radeln“.

Mit dem Vorschuss des Verlags finanzieren sie einen Teil ihrer Reise. Außerdem haben sie eine Fangemeinde. Wer über 20 Euro gespendet hatte, sollte eine spezielle Postkarte von unterwegs bekommen. Doch bisher sind nur ein Teil der Karten in Deutschland angekommen, während die, die ins europäische Ausland gingen, bereits allesamt ihre Empfänger erreicht haben.  Schmidt rätselt warum. Aber die beiden basteln schon an weiteren Spendenaktionen.

Am 3. März geht es weiter. Nur noch knapp 4500 Kilometer bis Yan`an. Dazwischen auch ein paar stattliche Berge bis zu 4000 Meter hoch. „Hügelchen“ würde Volker Häring dazu sagen oder vielleicht doch etwas ehrfurchtsvoller „Hügel“.

Info:

Auf diesem Youtube-Kanal kann man die Reise der beiden Radfahrer verfolgen: https://www.youtube.com/@SoweitdieFusseradeln

Ausführlicher die Facebook-Seite zum Projekt:

https://www.facebook.com/derlangemarsch/

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