WIRTSCHAFT I E-Autos aus China – Strafzölle wegen Effizienz?

Das Kraftfahrtbundesamt – im Volksmund wegen seines Standorts kurz „Flensburg“ genannt – verteilt nicht nur Punkte, sondern gibt Monat für Monat auch unbestechliche Zulassungszahlen bekannt. Die aktuellste Statistik stammt aus dem Monat Oktober. In der Rubrik Elektrofahrzeuge werden folgende chinesische Marken mit ihren Zulassungszahlen für diesen Monat ausgewiesen: Aiways 2 (zwei!), BYD 226, Great Wall Motors (GWM) 436, Lynk 22, MG Roewe 2113, NIO 289 und Polestar 272.

      Hat nicht EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich von einer Welle chinesischer Elektroautos gewarnt, die unsere Märkte überschwemmen werden?  Die aktuellen deutschen Zulassungszahlen können das jedenfalls nicht bestätigen, und auch in Europa soll der Marktanteil chinesischer E-Autos gerade mal drei Prozent betragen. Trotzdem handelt die EU-Kommission offenbar nach dem Motto „Wehret den Anfängen“. Sie hat eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen die chinesischen Hersteller von E-Autos eingeleitet, weil diese durch „riesige staatliche Subventionen“ unter Kosten anbieten würden.  Am Ende der Untersuchung könnten Strafzölle stehen, die die chinesischen Autos hierzulande verteuern.

     Man muss sich fragen, wer hier geschützt werden soll. Die deutschen Autobauer jedenfalls nicht, denn die bieten gar keine E-Autos in dieser Preisklasse um die 25 000 Euro an. Eher die Franzosen, die offenbar auch die Treiber hinter dem Brüsseler Vorstoß waren. In der deutschen Autoindustrie hat man Sorgen, dass China auf Strafzölle mit Gegenmaßnahmen reagieren könnte, die auch sie träfen. Diese Sorge treibt auch Cora Jungbluth und Thieß Petersen von der Bertelsmann Stiftung um. In ihrem Artikel „Why the EU shouldn´t Impose Anti-Dumping Duties on EVs from China” fürchten sie eine Eskalation bis hin zu einem Handelskrieg.

      Außerdem weisen die beiden Autoren darauf hin, dass die Story der chinesischen E-Autos komplexer ist als viele denken. Den Erfolg nur auf die staatlichen Subventionen zurückzuführen (wie es die EU-Kommission tut), sei zu kurz gedacht. China verfolgt schon seit längerem einen Plan oder – noch besser – eine Strategie. Ausgangspunkt sei die Einsicht gewesen, dass sie bei den herkömmlichen Antrieben mit dem Westen nicht mithalten können., schreibt Zeyi Yang im MIT Technology Review. Deshalb fing Chinas Regierung – der damalige Forschungsminister und Ex-Audi-Manager Wan Gang war eine treibende Kraft – schon in den späten 2000er Jahren an, auf E-Mobilität zu setzen. Dabei hat die Regierung richtig erkannt: E-Autos brauchen Batterien, und Batterien benötigen gewisse Rohstoffe. Also haben sie eine Batterieindustrie aufgebaut und sich die entsprechenden Rohstoffe (Lithium, Kobalt etc.) gesichert. Inzwischen besitzt China eine sehr effiziente Wertschöpfungskette bei der Produktion von Elektroautos, die eben auch eine günstigere Produktion als hierzulande ermögliche.

      Bestes Beispiel BYD. Als „the world´s hottest car company“ bezeichnet Michael Dunne, Kenner der asiatischen Auto-Szene, das Unternehmen in dem Artikel “How Did BYD Get So Good, So Fast?” Das Unternehmen aus Shenzhen hat innerhalb von drei Jahren seine Produktion versechsfacht – von 500 000 auf drei Millionen Einheiten. Für Dunne hat BYD die weltweit beste Wertschöpfungskette in der Industrie: „No one on the planet can match BYD when it comes to costs.“ BYD ist Marktführer in China und will auch global eine führende Stellung erreichen. Derzeit lässt das private Unternehmen auf der Guangzhou Shipyard zwei rund 200 Meter lange Frachtschiffe bauen. Aber neben Exporten denkt BYD-Gründer und -Chef Wang Chuanfu auch über Fabriken in den Zielmärkten nach. Gerade flog er in seinem Privatjet nach Brasilien, Chile und Mexiko. Brasilien und Mexiko (als Sprungbrett in die USA) sind für ihn interessante Produktionsstandorte. In Chile war er eher wegen der Rohstoffe.

    Und auch in Europa sieht sich BYD um. Es gab kurzzeitig Hoffnung, dass BYD in Saarlouis das Ford-Werk übernimmt, das 2025 final schließen wird. Aber stattdessen hat sich BYD wohl für das südungarische Szeged entschieden. Ungarns Regierungschef Victor Orbán war kürzlich in China und antichambrierte auch bei BYD in Shenzhen. Wir müssen damit rechnen, dass mehr chinesische Autobauer Fabriken in Europa hochziehen werden. Damit können sie mögliche Brüsseler Strafzölle umgehen.

Info:

Hier der Artikel von Cora Jungbluth und Thieß Petersen: https://globaleurope.eu/globalization/why-the-eu-shouldnt-impose-anti-dumping-duties-on-evs-from-china/ Und hier der Artikel in der MIT Technology Review:

https://www.technologyreview.com/2023/02/21/1068880/how-did-china-dominate-electric-cars-policy/ Hier der Newsletter von Michael Dunne über den Erfolg von BYD:  https://newsletter.dunneinsights.com/p/how-did-byd-get-so-good-so-fast

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