Wie feiert man als wissenschaftliche Institution Geburtstag? Mit einem Symposium. Genau das tat das China Centrum an der TU Berlin, das in diesen Tagen 30 Jahre alt wurde. Am 24.November luden Sigrun Abels und ihr Team in die Räumlichkeiten in der Kaiserin -Augusta-Allee. Thema des Symposiums: „Young China“. Die Jugend in China ist natürlich ein facettenreiches Thema, deshalb haben sich die Veranstalter auf ein paar wenige, aber interessante Aspekte beschränkt. Zunächst führte die Fotografin Rebecca Sampson in ihre Ausstellung „Diamond Love/Liebe in China“ ein. Sie ist derzeit auf dem Flur des China Centrums zu sehen. Sampson hat sich vor allem auf den Heiratsmärkten in chinesischen Städten herumgetrieben, auf denen Eltern ihre Kinder anpreisen. Welche materiellen Wünsche (Wohnung, Auto, Gehalt) dort geäußert werden, sagt viel aus über den derzeitigen Zustand der chinesischen Gesellschaft. Die Ausstellung ist sehr zu empfehlen (siehe Info).
Der emeritierte Professor Johannes Küchler sprach über „Chinas Jugendbewegung(en) zwischen Anpassung und Protest“. Er teilte das letzte Jahrhundert in drei Abschnitte ein: Jugendbewegungen mit der Partei, im Dienste der Partei und gegen die Partei. In den ersten Jugendbewegungen ab 1915 spielten die beiden Beijinger Universitäten eine Schlüsselrolle, die Beida dabei mehr als die Tsinghua. Slogan war damals: Zerschlagt den Laden des Konfuzianismus! Wichtige Meilensteine der Protestbewegung waren der 4. Mai 1919, der 30. Mai 1925 und der 9. Dezember 1935. Nach 1949 stellte sich die Jugend in den Dienst der KP und ihres Kommunistischen Jugendverbandes. 1989 änderte sich das: „Die Studentenbewegung arbeitet seitdem nicht mehr mit der Partei sondern gegen sie“, sagte Küchler.
Katharina Klöcker, Mitarbeiterin des China Centrums, berichtete über ihre Magisterarbeit, in der sie sich mit dem „Jugendphänomen Tangping“ beschäftigt hat. Tangping (躺平) heißt flach liegen. Der Begriff ist seit Mai 2021 in der Diskussion und stellt eine neue Lebensphilosophie vieler Jugendlichen dar, die einem zunehmenden Konkurrenzkampf ausgesetzt seien. Sie legen keinen Wert auf Statussymbole wie Auto und Wohnung und bevorzugen einen minimalistischen Lebensstil. Sie sprechen sich auch gegen Ehe und Kinder aus. „Für die chinesische Regierung ist das eine große Herausforderung“, sagte Klöcker. Sie geißelt diese Bewegung als faul und egoistisch. Xi reagierte mit dem Slogan „Esst mehr Bitterkeit“ und fordert die Jugend auf, ihre Ansprüche zurückzuschrauben und zum Beispiel auch einen Job auf dem Land zu suchen.
Zum Schluss sprach Andreas Seifert (RUB Bochum) launig über Comics in China und fragte: „Für wen sind Comics gemacht: Ein subversives Medium für die chinesische Jugend?“ Er machte zunächst einen Ausflug in die Historie und erklärte, dass es in China bebilderte Romane schon im 16. Jahrhundert gegeben habe. Comics kamen erst in den 1920er Jahren auf. Sie wurden nicht gekauft, sondern an Straßenständen gelesen. Erst in den 80er Jahren wurden Comics gekauft, die Auflagen explodierten. Es wurde kräftig zensiert. „Aber nur zensieren, war auf Dauer keine Strategie“, sagte Seifert. Die Partei nahm viel Geld in die Hand und publizierte ihre eigenen Comic-Hefte mit weniger Gewalt und weniger nackter Haut. Bekanntester Vertreter ist der Comiczeichner Benjamin. Ab 2010 verlagerte sich die Comic-Szene ins Internet. Auf WeChat gibt es viele Comic-Kanäle. Ob sie subversiv sind? Nein, die meisten seien ziemlich harmlos, antwortet Seifert.
Info:
Die Ausstellung „Diamond Love/Liebe in China“ ist im China Centrum der TU Berlin zu sehen, Kaiserin-Augusta-Allee 104-106, 1. Etage und kann täglich zwischen Montag und Freitag ohne Anmeldung besichtigt werden. Sie läuft noch bis Ende des Sommersemesters 2024.