Die beiden Metalle heißen Gallium und Germanium. Entdeckt wurde das eine 1875 von dem Franzosen Paul-Émile Lecoq de Boisbaudran, das andere 1885 von dem Deutschen Clemens Winkler. Selbst vielen Chemikern dürften diese beiden Elemente nahezu unbekannt sein, kommen sie doch nur in kleinen Mengen vor. Und doch schafften es Gallium und Germanium in diesen Tagen in die Schlagzeilen, denn sie sind in die Fänge der Weltpolitik geraten. Sie sind umstrittene Gegenstände im Großmachtkonflikt zwischen China und den USA. Die beiden Staaten befinden sich in einem Chip-Krieg. Er fing am 8. Oktober 2022 an, als das Handelsministerium verkündete, dass China nicht mehr mit hochwertigen Chips beliefert werden darf. „Die neuen Restriktionen stellen eine dramatische Ausweitung des Chip-Krieges zwischen den USA und China dar“, sagte Chris Miller (Autor des Buches „Chip War“) damals gegenüber der NZZ. Man war allseits gespannt, wie China darauf reagieren würde. Zunächst kam nur eine prompte Reaktion mit Worten, aber Taten folgten monatelang nicht. Bis zum 3. Juli. Just am Vorabend des amerikanischen Unabhängigkeitstages zeigte China den USA auf, wie abhängig sie bei gewissen Rohstoffen von China sind. Das Handelsministerium MofCom ordnete an, dass ab dem 1. August Exportkontrollen für Gallium und Germanium gelten. Die beiden Metalle werden vor allem bei der Produktion von Chips, Solarzellen, Satelliten und allerlei militärischem Gerät verwendet. China ist mit Abstand der größte Produzent von Gallium (86 Prozent der Weltproduktion) und Germanium (66 Prozent). Das US-Handelsministerium antwortete prompt: “These actions underscore the need to diversify supply chains. The United States will engage with our allies and partners to address this and to build resilience in critical supply chains.” In ähnlichem Duktus forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Niedermark „die Abhängigkeit (von China) bei kritischen Rohstoffen jetzt rasch zu reduzieren“. Rasch? Wenn das so einfach wäre. „Die USA und ihre Verbündeten verfügen zwar über die Technologien, um die Rohstoffe aus China zu ersetzen. Das würde aber viel Zeit und Aufwand erfordern,” schreibt Jacob Gunter (Mercator Institute for China Studies/Merics) in einer Analyse. „Gallium wird neben begrenzt möglichen Recycling- Verfahren aus einem veredelten Begleitprodukt von Aluminium gewonnen; Germanium bei der Veredelung von Zink. China produziert mehr als die Hälfte des weltweiten Aluminiums und ein Drittel des weltweiten Zinks. Um die Gallium- und Germanium-Produktion anzukurbeln, wären große Mengen an Aluminium und Zink erforderlich. Das würde eine Reihe von Problemen nach sich ziehen – von Überkapazitäten bis zu negativen Folgen für die Umwelt.”
Im Westen ist die Aufregung groß über diesen Schritt der Chinesen. Aber glaubten die Politiker und Thinktanker in den USA und hierzulande ernsthaft, dass sich China die amerikanische Provokation mit den Chip-Restriktionen einfach so gefallen lässt? Eher ist davon auszugehen, dass die Beschränkungen von Gallium und Germanium erst der Anfang sind. Schon am 5. Juli sagte der ehemalige Vizehandelsminister Wei Jianguo in China Daily, dass diese Exportkontrollen “just the beginning of China’s countermeasures” seien.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ahnt bereits Böses. “Wenn das bei Lithium oder so was auch noch passiert, dann haben wir wirklich ein anderes Problem”, warnte er am 4. Juli auf einer Veranstaltung zur Transformation der chemischen Industrie. Eine chinesische Beschränkung der Lithium- oder auch Graphit-Exporte könnte gravierende Folgen für die Klimawandel-Politik der Bundespolitik haben.
Im Moment sieht es nicht danach aus, dass dieses Spiel von Restriktionen und Gegenrestriktionen bald beendet sein wird. In einer Analyse des Beratungsunternehmens Trivium heißt es: „We could quickly end up in a disruptive (and avoidable) resource war that benefits no country – with decarbonization a yet more collateral damage.”