China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Johannes Pflug (77).
1998 wurde Johannes Pflug zum ersten Mal in den Bundestag gewählt. Der Neuling strebte gleich forsch in den wichtigen Auswärtigen Ausschuss, der eigentlich nach ungeschriebenen Gesetzen nur altgedienten Parlamentariern vorbehalten ist. Er schaffte es trotzdem, auch weil sich Johannes Rau für seinen Landsmann aus NRW stark gemacht hatte (Pflug hatte noch etwas gut bei ihm). „Dort habe ich sofort mein Interesse für Ostasien bekundet“, sagt Pflug. Der gebürtige Duisburger kam schon früh mit China in Verbindung, weil Duisburg als erste deutsche Großstadt eine Partnerschaft mit einer chinesischen Metropole – Wuhan – eingegangen war. Pflug, der seit 1984 bei den Stadtwerken Duisburg arbeitete, war 1992 zum ersten Mal zusammen mit OB Josef Krings in China: Wuhan-Shanghai-Hongkong. „Das war ein tolles Erlebnis“, erinnert er sich. Außerdem war er als Landtagsabgeordneter stark in der Heinrich-Hertz-Stiftung aktiv, die den Studentenaustausch fördert. In dieser Zeit hat er viele chinesischen Studenten getroffen und war von deren Fleiß begeistert. Pflug hatte also bereits ein Faible für Ostasien und speziell China, als er sich im Auswärtigen Ausschuss für diese Region interessierte. Prompt wurde er auch Mitglied in der deutsch-koreanischen und deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, deren Vorsitzender er ab 2005 war. Diese Funktionen bescherten ihm viele Reisen nach Asien. Er war mit Kanzler Gerhard Schröder und Kanzlerin Angela Merkel, mit dem Präsidenten Horst Köhler und den Außenministern Guido Westerwelle und Frank-Walter Steinmeier bei vielen Besuchen dabei. Dabei hatte er meist Zugang zu höchsten Stellen in Chinas Regierung und der Partei. „Wir hatten auch immer wieder Oppositionelle – ob Anwälte oder Tiananmen-Opfer – besucht,“ betont Pflug. Gut in Erinnerung ist ihm auch der Besuch bei Bo Xilai, der vom Hoffnungsträger zum Verfemten mutierte: „Er war sehr charismatisch.“ Auch mit den chinesischen Botschaftern Ma Canrong und Shi Mingde hatte Pflug ein gutes, ja fast freundschaftliches Verhältnis, das bis heute anhält. Pflug war während seiner Parlamentarier-Zeit allerdings mit einem China beschäftigt, das damals noch Partner und nicht wie heute Rivale war. 2013 schied er aus dem, Bundestag aus. 67 war er damals. Er sei doch viel zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, beschied ihm Duisburgs OB Sören Link und trug ihm das neu geschaffene Ehrenamt des China-Beauftragten der Stadt an. Sie taxierten das Engagement zunächst auf vier Wochenstunden. Aber die Realität überrollte schnell diese Planung. 2014 kam der erste Zug aus China via Seidenstraße im Duisburger Hafen an. Zur Ankunft erschien Xi Jinping höchstpersönlich in Duisburg. „Das gab Duisburg einen enormen Aufschwung.“ In China wurde Duisburg zu einer der bekanntesten Städte Deutschlands. Viele chinesische Delegationen schauten dort vorbei. Pflug bekam gewaltig viel zu tun. Aus den vier wurden mehr als 20 Wochenstunden im Ehrenamt. Doch er setzte sich eine Deadline: An 75. Geburtstag ist Schluss. Und daran hielt er sich. Im April 2021 endete das Mandat des China-Beauftragten. Was aber nicht heißt, dass sich Pflug auch vom China verabschiedet hat. Er ist weiterhin Vorstandsmitglied der China-Brücke, Beiratsvorsitzender der Allianz Deutscher China-Gesellschaften (ADCG), Vorsitzender des von ihm mitgegründeten China Business Netzwerk Duisburg (CBND) und Kuratoriumsvorsitzender der Ostasienwissenschaften beim Institut für Ostasienwissenschaften der Uni Duisburg-Essen. Und er will noch ein Buch schreiben. Zwei Ideen schwirren ihm dabei im Kopf herum. Einmal Nordkorea, das er 11mal bereist hat. Oder doch ein Krimi, der in Duisburg – Heimat des legendären Horst Schimanski – spielt.