Bis vor ein paar Jahren hat sich außerhalb Chinas oder Asiens nahezu niemand für Wahlen auf Taiwan interessiert. Doch diesmal wird es anders sein, denn die Insel mit seinen rund 24 Millionen Einwohnern ist in den Fokus der Weltpolitik geraten – als Zankapfel zwischen den beiden Großmächten China und USA. Am 13. Januar 2024 wird in Taiwan der neue Präsident gewählt – und der Ausgang dieser Wahl wird Folgen haben für die Großmacht-Rivalität zwischen China und den USA. Die große Frage lautet: Wie hält es der neue Präsident mit der Volksrepublik China? Kooperativ, konfrontativ oder gar aggressiv durch Unabhängigkeitsgelüste?
Nachdem die oppositionelle Kuomintang (KMT) soeben ihren Kandidaten nominiert hat, steht nun die Riege der Kandidaten fest, die die Nachfolge von Tsai Ing-wen antreten wollen, die nach zwei Amtsperioden nicht mehr gewählt werden kann. Hier das Trio in Kurzporträts.
Lai Ching-te (63) kandidiert für die regierende Democratic Progressive Party (DPP). Er ist derzeit Vizepräsident unter Tsai Ing-wen. Der Arzt, der einst in Harvard seinen Master machte, hat eine politische Karriere hinter sich. In den 90er Jahren war er bereits Abgeordneter, in den 2010er Jahren wurde er Bürgermeister von Tainan. 2017 stieg er in die nationale Politik ein und wurde Premierminister, ehe er 2019 gegen Tsai antrat und ihr die Kandidatur streitig machte, aber unterlag. Tsai ernannte ihn dann aber zum Vizepräsidenten. Er steht in der Kontinuität von Tsais Politik, wäre jedoch anders im Stil. Er gibt sich eher hemdsärmelig, ja fast populistisch im Vergleich zur sehr disziplinierten und eher technokratischen Tsai.
Lais großer Herausforderer ist Hou You-yi (65) von der oppositionellen Kuomintang (KMT). Er setzte sich parteiintern gegen den Milliardär und Foxconn-Gründer Terry Gou durch. Hou wurde übrigens nicht vom Parteivolk gewählt, sondern von der Parteiführung unter dem Vorsitz von Chu Li-luan mehr oder weniger bestimmt. Derzeit ist Hou noch Bürgermeister von New Taipeh City. Er gilt als eines der populärsten Stadtoberhäupter auf der Insel. Zuvor machte er Karriere im Polizeiapparat. Vor seinem Bürgermeistermandat war er Präsident der Central Police University. Hou gilt als moderat, ist weder Verfechter eines unabhängigen Taiwans noch Anhänger des von Beijing propagierten Slogans „One Country, two Systems“. Sein Nachteil ist, dass er wenig außenpolitische Erfahrung hat.
Mehr als nur ein chancenloser Außenseiter ist Ko Wen-je (63) von Taiwan´s People Party (TPP). Auch er ist Mediziner, und auch er hat eine Bürgermeister-Vergangenheit. Er gewann zweimal die Wahl zum Stadtoberhaupt der Hauptstadt Taipeh – und das als unabhängiger Kandidat. 2019 gründete er dann die TPP. Ko könnte das Zünglein an der Waage sein und könnte für die KMT gefährlicher sein als für die DPP.
Die aktuellen Meinungsumfragen ergeben folgendes Bild: Lai und Hou sind bei etwas mehr als 30 Prozent, Ko bei um die 20 Prozent.