AM 10. Mai bestieg Manfred Görk (68) in Frankfurt ein Flugzeug von Qatar Airways, um via Doha nach China zu fliegen. Dort wartete seine chinesische Gattin auf ihn, die vorausgeflogen war. Sie musste für ihren Mann ein paar Behördengänge vorbereiten, denn das Ehepaar will nach China umziehen und möglicherweise seinen Ruhestand dort verbringen.
Es war eine späte Liebe im doppelten Sinne. 2008, damals war Görk bereits 54 Jahre alt, reiste er zum ersten Mal nach China. Ihn reizten sowohl die Olympischen Spiele („Ich wollte immer mal zu einer Olympiade“) als auch das Land. Görk ist immer viel gereist, privat wie beruflich. Der studierte Volkswirt war als Projektmanager bei SAP in allen Kontinenten unterwegs und arbeitete mit Menschen aus über 50 Ländern zusammen. In seinen Urlauben tourte er ebenfalls durch die Welt. Mit Reisegruppen war er in den 80ern auch häufig in der ehemaligen Sowjetunion. Diese Reisen prägten sein Bild von einem kommunistischen Land. Doch was sah er in China? Ein modernes China, das mit seinen Erartungen nichts zu tun hatte. Er war fasziniert von dem Land und wollte mehr wissen, lernte Chinesisch (inzwischen ist er auf HSK3-Niveau). Und er reiste immer wieder dorthin. „Meine Faszination ist bei jeder Reise größer geworden“, sagt Görk. Nach ein paar Jahren wusste er so viel über China, dass er meinte, sein Wissen mit anderen in Buchform teilen zu müssen. 2017 erschien „Land der Mitte – Impressionen aus einer anderen Welt“, das auch in China auf Chinesisch veröffentlicht wurde. 2020 dann „Herr Gao und der gelbe Fluss“. In letzterem beschreibt er in Romanform das Schicksal einer Bauernfamilie im Dorf Luluba in der Provinz Shaanxi. Es sei auch ein Stück darüber, “wie stark die familiären Bande auch im heutigen China noch sind”, sagt Görk, der zur Recherche mehrmals in dem Dorf war.
Bis Ende 2019 war er insgesamt 550 Tage in China, besuchte rund 20 Provinzen. Eine davon war Ningxia im Nordwesten des Landes (wenn man korrekt sein will: Ningxia ist keine Provinz, sondern eine autonome Region). In Ningxias Hauptstadt Yinchuan lernte er 2017 seine Frau, eine Bankangestellte, kennen, die mittlerweils ebenfalls pensioniert ist. 2020 wurde geheiratet. Sie schmiedeten einen ersten Jahresplan: Sechs Monate China, sechs Monate Deutschland, genauer: Schriesheim an der Bergstraße. Doch dann kam Corona, und sie überdachten ihren Plan in aller Ruhe: Warum nicht ganz nach China ziehen? „Irgendwann beschlossen wir: Wir versuchen das jetzt einfach mal.“
Deshalb flog er vor ein paar Tagen mit einem Q1-Visum und einer legalisierten Heiratsurkunde nach China. Er wird damit zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten, die er aber in eine permanente umwandeln will. Die nötigen Behördengänge will er zusammen mit seiner Frau in Yinchuan unternehmen. Aber bleiben wollen sie in Ningxia, der Heimat seiner Frau, nicht. Im Sommer sei es dort zu heiß, im Winter zu kalt, sagt er. Deshalb überlegen sie, in den warmen Süden des Landes zu ziehen: Yunnan, Hainan oder eventuell auch Fujian stehen auf ihrer Wunschliste. Dort wollen sie sich eine Wohnung oder ein Haus kaufen. Fünf, sechs Orte haben sie zur Auswahl. In den nächsten Monaten wollen sie sich dort jeweils mindestens eine Woche umschauen und nach passenden Objekten suchen. Ein deutsches Hintertürchen hält sich Görk freilich für alle Fälle noch offen: „Meine Wohnung in Schriesheim behalten wir erst einmal.“
Info:
Hier eine Übersicht über die Bücher von Manfred Görk: https://www.bod.de/buchshop/catalogsearch/result/?q=Manfred+G%C3%B6rk