WISSENSCHAFT I Neues über die Xiongnu – die alten Rivalen der Han-Dynastie

Wir schreiben das Jahr 200 vor Christus. In China wurde die Qin-Dynastie gerade durch die Han-Dynastie abgelöst. Deren Kaiser Gaozu machte sich mitten im Winter auf den Weg in den Norden, um durch Nomaden besetzte Gebiete zu befreien. Doch er und seine Truppen wurden umzingelt und belagert, ehe ihm und seinen halb erfrorenen Mannen der Rückzug gestattet wurde. Welche Demütigung durch die barbarischen Nomaden. Zwei Jahre später, 198 v. Chr., musste die Han-Dynastie gar ein eher unterwürfiges Abkommen mit den Nomaden schließen. Diese Nomaden aus dem Norden nannten die Chinesen „Xiongnu“ (匈奴). Diese Xiongnu bildeten in der mongolischen Steppe rund 1000 Jahre vor Dschingis Khan das erste Nomadenreich der Welt. Sie waren die größten Rivalen der Han-Dynastie (206 v Chr. – 220 nach Christus). Es kam immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Legendär die Schlacht anno 119 v. Chr., als die 300 000 Mann starken Han-Truppen in der Nähe des heutigen Ulan-Bator die Xiongnu besiegten. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus wurden sie dann von den Han vernichtend geschlagen.

Anders als die Chinesen hatten die Xiongnu kein Schriftsystem. Deshalb weiß man auch wenig über sie. Ein Forscherteam machte sich deshalb auf den Weg in die Mongolei zu zwei Friedhöfen der Xiongnu-Eliten an der Westgrenze des einstigen Nomadenreiches: Takhiltyn Khotgor und Shombuuzyn Belchir. Zum Team gehörten Forscher zweier Max-Planck-Gesellschaften, der Seoul National University, der University of Michigan und der Harvard University. Über die Ausgrabungen und DNA-Analysen berichteten die Forscher – darunter Christina Warinner von der MPG Leipzig – in der US-Zeitschrift „Science Advances“ (Vol. 9, Nr. 15 vom 14. April 2023). Titel: „Genetic population structure of the Xiongnu Empire at imperial and local scales”. Zwei wichtige Erkenntnisse förderten die Forschungen zu Tage: Erstens, das Nomadenreich der Xiongnu war ein multi-ethnisches Reich mit einer großen genetischen Vielfalt. Für die Fachleute ist das ein Hinweis, dass die Xiongnu ihr Reich und ihre Macht ausdehnten und festigten, indem sie Mitglieder anderer Gemeinschaften heirateten. Zweitens: Frauen spielten eine besonders wichtige politische Rolle. Letzteres schlossen die Forscher aus den Gräbern und Särgen der Frauen. Sie wurden in monumentalen Elitegräbern und kunstvollen goldverzierten Särgen beerdigt. Eine solche Grabbeigabe zeige – so die Forscher-, dass sogenannte Eliteprinzessinen eine entscheidende Rolle im wirtschaftlichen und politischen Leben des nomadischen Großreiches gespielt hätten. Feminismus ist also keine Erfindung der Moderne.

Info:

Hier der Artikel der neuen Forschungsergebnisse in „Science Advances“:

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adf3904

Hier eine Zusammenfassung der Max-Planck-Gesellschaft in Deutsch: www.mpg.de/20124431/0405-evan-multiethnische-struktur-des-ersten-nomadenreichs-150495-x?c=2191

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