WIRTSCHAFT I Im Rückspiegel: Shanghai Motor Show

Ein Messestand wurde bei der gerade zu Ende gegangenen Shanghai Motor Show besonders belagert. Alle wollten dort DAS Auto sehen. Nein, keinen Porsche, keinen Maserati oder einen sonstigen Boliden. Nein, sie wollten den U8 der Marke Yangwan bestaunen. Das Auto, das wie eine U-Bahnlinie klingt, beschleunigt von 0 auf 100 in 3,6 Sekunden, kostet etwas über eine Millionen Yuan und ist selbstverständlich ein Elektroauto. Nichts symbolisiert den Wandel in der chinesischen Autoszene mehr als dieses neue fahrende Schmuckstück des BYD-Konzerns: China, der größte Automarkt der Welt, wird zunehmend elektrisch – und er wird von heimischen Autos dominiert. Chinas Stromer haben einen Marktanteil von über 80 Prozent. Marktführer ist BYD mit 25 Prozent. VW bringt es gerade mal auf zwei Prozent. Insgesamt kommen die deutschen E-Autos in China nur auf einen Marktanteil von rund fünf Prozent. Im gesamten Automarkt (E-Autos plus Verbrenner) haben die deutschen Hersteller immerhin noch einen Marktanteil von 19,1 Prozent, weil vor allem Audi, BMW und Mercedes noch viele Verbrenner verkaufen. Aber das sind Auslaufmodelle in China.

Bei der Automesse in Shanghai wurde deshalb deutlich: Die deutsche Autoindustrie fährt in China hinterher.

Kollege Frank Sieren kommentiert in „China-Table“: „Die Lage ist so ernst wie noch nie.“ Er macht drei Schwachpunkte aus: Erstens, die Entwicklungszeiten der deutschen Autofirmen seien zu lang (im Schnitt 46 Monate im Vergleich zu 30 Monaten der chinesischen Konkurrenz). Zweitens, Chinesen wollen weniger für ein Elektroauto bezahlen als für einen Verbrenner. Drittens den Chinesen sei ein digitalisiertes Auto wichtiger als dessen Aussehen.

Dementsprechend haben die chinesischen Hersteller in Shanghai eine Armada von neuen Modellen präsentiert. Hier nur eine kleine, nicht unbedingt repräsentative Auswahl an neuen E- bzw. Hybrid-Autos aus chinesischer Fabrikation (wobei die Modellbezeichnungen mit ihren seltsamen Buchstaben- und Zahlenkombinationen immer verwirrender werden):

  • BYD: Der Marktführer aus Shenzhen zeigte, dass er die ganze Palette inzwischen im Angebot hat – von billig bis teuer. Als Einstiegsmodell präsentierte BYD den Seagull. In der Mittelklasse tritt BYD mit dem Chaser 07 an, in der Luxusklasse mit U8 und U9 unter dem Label Yangwang.
  • Geely: Das Mehrmarken-Unternehmen schickte seine Brands Lynk & Co., Polestar und Zeekr mit neuen Modellen ins Rennen. Als Einsteigermodell kommt der Geely Panda Mini auf den Markt.
  • NIO zeigte neue Versionen seiner Modelle ES6 und EC7.
  • Xpeng präsentierte den G6, einen Mittelklasse-SUV, und den mehr in Richtung Premiumklasse orientierten G9.
  • Jetour: Der relative Newcomer Jetour, Tochter des Staatsunternehmens Chery, stellte den hybriden Geländewagen Traveller und das E-Auto Dashing-i-DM vor.
  • HiPhi: Der Shanghaier Autobauer Human Horizons, erst 2019 gegründet, zeigte das Einsteigermodell HiPhi Y, nachdem es schon die Modelle X und Z gibt.

Natürlich fuhren auch die deutschen Hersteller mit neuen E-Modellen in Shanghai vor. Mercedes mit dem Maybach EQS und BMW mit i7 M70, beides teure Luxusmodelle, also eher Nischenprodukte. Porsche zeigte einen aufgefrischten Cayenne. immerhin als Hybrid. Bei Volkswagen hatte der ID.7, ein Modell der gehobenen Mittelklasse, in Shanghai Weltpremiere. Bei Volkswagen, dem einstigen Marktführer in China, scheint man den Ernst der Lage erkannt zu haben. Die Wolfsburger haben seit Sommer mit Ralf Brandstätter einen neuen China-Chef, der verstärkt auf Entwicklung in China setzt, denn der völlig anders tickende Markt in China lässt sich nicht aus Wolfsburg heraus verstehen. Gerade entsteht in Hefei für eine Milliarde Euro ein neues Entwicklungszentrum namens „100% TechCo“. 

Aber Volkswagen & Co. müssen zunehmend aufpassen, dass sie auch hierzulande keine Marktanteile an die Chinesen verlieren. Denn die auf ihrem Heimatmarkt bereits erfolgreichen chinesischen Hersteller werden nach Europa kommen. Auf der Shanghaier Messe hörte man viele Ankündigungen in diese Richtung. NIO, Xpeng, Great Wall – um ein paar wenige Hersteller zu nennen – sind schon da. Aber das ist erst der Anfang. Branchenexperte Daniel Kirchert, der lange in China gearbeitet hat, prophezeit: „Over the next years we will see an additional number of 15-20 Chinese EV brands entering the European market.”

Info:

Hier eine Übersicht von Business Insider über die „coolest cars“, die auf der Shanghai Auto Show gezeigt wurden:https://www.businessinsider.com/shanghai-auto-show-coolest-cars-byd-yangwang-xpeng-polestar-toyota-2023-4#dongfeng-e-18

Und hier ein Podcast mit manager-magazin-Redakteur Claas Tatje, der vor Ort in Shanghai war:  https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/volkswagen-ueberrollen-chinas-newcomer-wie-byd-den-deutschen-auto-konzern-a-030a036a-03d0-4e20-87f8-1a0700ba2801?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

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