Noch steht über allen 22 Seiten quer in grauen Buchstaben Entwurf. Noch ist das Papier nicht von den Spitzengremien verabschiedet, aber in der China- Community der Hauptstadt zirkuliert es längst. Die Rede ist von dem Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag mit dem Titel „Souveränität aus eigener Stärke. Eckpfeiler einer neuen China-Politik“. Erstellt wurde das Papier von der Anfang Juli 2022 in der Fraktion installierten Arbeitsgruppe „China“ in der Fraktion. Leiter dieser AG sind Jens Spahn und Johann Wadephul. Das Papier besteht aus drei Punkten: 1. Ein neues China; 2. Eine neue China-Politik und 3. Strukturelle Veränderungen in der Bundesregierung zur Umsetzung einer neuen China-Politik.
1. Ein neues China: Chinas Politik gegenüber uns und Europa habe sich gewandelt. Es entwickle sich zunehmend zu einem systemischen Rivalen. Die systemische Rivalität würde aber nicht von Europa gesucht, sondern würde von China an uns herangetreten. Ausdruck dieser Politik sei das Ziel einer sinozentrischen Weltordnung. China plane die Schaffung von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten (Seidenstraße!). Außerdem habe China territoriale Ambitionen (Südchinesisches Meer, Taiwan) und arbeite mit militärischen Drohungen. Das Prinzip „Frieden durch Handel“ sei erst mit Blick auf Russland, zunehmend aber auch China gescheitert. Aus all dem schließt das Papier: „Weil China sich verändert hat, müssen wir auch unsere Politik gegenüber China verändern.“
2. Eine neue China-Politik: „Wir brauchen eine chinapolitische Zeitenwende“ ist das erste übergeordnete Postulat. Dazu gehörten eine europäische China-Strategie und eine strategisch ausgerichtete transatlantische China-Politik. Von hoher strategischer Bedeutung sei zudem die Zusammenarbeit mit den Partnern im indo-pazifischen Raum. Außerdem brauche es eine ambitionierte und umfassende Strategie für die Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas und Lateinamerikas. Dazu schlagen die Autoren verschiedene neue Institutionen vor. Das wäre zum Beispiel ein „Europäischer China-Council“, in dem die EU-Staaten und andere europäische Länder vertreten sein müssten. Innerhalb der NATO sollte es einen regelmäßigen Nordatlantikrat zu China geben. Zur neuen China-Politik gehöre auch eine stärkere Überwachung bestehender und entstehender Abhängigkeiten. Eine chinapolitische Expertenkommission müsste einen jährlichen China-Check über die Abhängigkeiten vorlegen. Für in China besonders exponierte Unternehmen sollten Stresstests verpflichtend sein. Außerdem ist die Rede von einem Kontrollsystem für ausgehende China-Investitionen.
3. Strukturelle Veränderungen in der Bundesregierung zur Umsetzung einer neuen China-Politik: Erster Bullet-Point in diesem Kapitel: „Die China-Kompetenz muss in Deutschland, vor allem in der Bundesregierung gestärkt werden.“ Alle Neu-Beamten im höheren Dienst einer Bundesbehörde sollen in den ersten beiden Dienstjahren verpflichtend einen China-Exposure-Kurs durchlaufen. Dieser soll zusammen mit Merics konzipiert werden. Zudem fordern die Autoren weitere Institutionen: So soll es eine regelmäßige Staatssekretärsrunde zu China geben. Es soll ein „Kompetenzzentrum China“ geschaffen werden, das direkt dem Chef des Bundeskanzleramts unterstellt ist und als Anlaufstelle für die Länder, Kommunen und Wissenschaftseinrichtungen dient. Zudem soll ein „Expertenkreis Strategic Foresight on China“ Bundesregierung und Bundestag regelmäßig informieren und beraten.
Zu dieser Analyse und den aus ihr folgenden Vorschlägen ließe sich viel sagen und schreiben, aber ich verzichte angesichts der fortgeschrittenen Lesezeit darauf und melde mich mit einer Kommentierung des CDU/CSU-Papiers, wenn deren endgültige Fassung vorliegt.