Es war eigentlich nur ein Kommentar über den Besuch von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Taiwan, den Stefan Kornelius Mittwoch vor einer Woche (22. März) in der „Süddeutschen Zeitung“ verfasst hatte. Doch gleich am Ende des ersten Absatzes haute der Politik-Chef des Blattes einen ungeheuerlichen Satz heraus: „Die China-Expertise, die Lehrstühle und Institute hierzulande, sind inzwischen so sehr von Geld und Interessen der Volksrepublik durchzogen, dass mehr wissenschaftlicher Abstand geboten ist.“ Heißt das, dass die fast 100 Sinologie-Professoren an den über 20 deutschen Universitäten, die dieses Fach lehren, mehr oder weniger korrupt seien und/oder von Beijing gesteuert werden?
Der Würzburger Sinologie-Professor Björn Alpermann reagierte als erster quasi semi-öffentlich, indem er am nächsten Tag auf seinem LinkedIn-Account eine Replik postete und kritisierte: „Belege für die vermeintliche Unterwanderung der deutschen Sinologie durch Geld und Einfluss der autoritären Volksrepublik bemüht der Autor erst gar nicht. Stattdessen wird gleich ein ganzes Fachgebiet denunziert.“ Alpermann bekam viel Zuspruch für seine prompte Antwort. „Es haben sich viele Sinologen geärgert – und zwar auf breiter Front“, sagte er gegenüber CHINAHIRN.
Alpermanns LinkedIn-Beitrag fiel auch den Machern des Newsletters China.Table auf, so dass sie ihn um ein umfangreicheres Statement baten. Dieses wurde am Montag (27. März) bei China.Table veröffentlicht. Es ist eine längere Version des Leserbriefs, den Alpermann – übrigens SZ-Abonnent – an das Münchner Blatt geschickt hat. Darin verwahrt er sich gegen den Vorwurf von Kornelius, dass deutsche Sinologen Geld aus Beijing bekämen: „Die Realität sieht jedoch (anders) aus: Wie jedes universitäre Fach werden die Sinologie und ihre Angestellten aus öffentlichen Mitteln – Landeshaushalten, DFG, BMBF, EU unter anderem Drittmittelgeber – finanziert.“ Und Alpermann fährt fort: „Nebenbei bemerkt haben alle im öffetnlichen Dienst tätigen Chinawissenschaftler und -wissenschaftlerinnen ihren Amtseid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung geleistet. Ihnen zu unterstellen, sie seien mehr den „Interessen der Volksrepublik“ dienlich, kommt einer Verleumdung nahe.“
Für Alpermann ist diese Diskussion um die Sinologie nur ein kleiner Teil der größeren Chinadebatte hierzulande. Sie stehe aber beispielhaft für das große Ganze. Denn sie zeige, wie schwierig es sei, Zerrbilder zu bekämpfen, die sich aufgrund steter Wiederholung in vielen Köpfen festgesetzt hätten – auch in denen von Journalisten. Dagegen helfe – so Alpermanns Petitum – nur ein entschiedener Widerspruch, gerade auch von Sinologinnen und Sinologen.
Alpermann geht mit gutem Beispiel voran und geht inzwischen häufig für seine Zunft in die öffentliche Bütt. Er weiß aber auch: „Viele junge Sinologen sagen: Ich habe keine Lust auf diese Schlammschlacht.“ Trotzdem sieht Alpermann eine zunehmende Neigung von gestandenen Sinologen, sich öffentlich zu äußern. Und das ist gut so. Denn – so Alpermann: „Ein Schweigen der Sinologen wäre fatal.“
Info:
Der SZ-Kommentar von Stefan Kornelius ist hinter der Bezahlschranke: https://www.sueddeutsche.de/meinung/taiwan-volksrepublik-china-stark-watzinger-bundesregierung-china-politik-kommentar-1.5773002?reduced=true
Björn Alpermanns Beitrag bei China.Table: https://table.media/china/standpunkt/sinologie-in-deutschland-zerrbilder-bekaempfen/