HU IS HU I Feiyu Xu, deutsch-chinesische KI-Expertin

Als sich am 5. März die Bundesregierung zu einer Klausur auf Schloss Meseberg traf, stand auch das Thema Künstliche Intelligenz auf der Tagesordnung. Die Damen und Herren Minister wollten sich über diese Zukunftstechnologie schlau machen. Als Expertin dazu eingeladen war auch eine Frau: Feiyu Xu (53). Sichtlich stolz posierte sie vor dem Schlosseingang und schrieb dazu später in LinkedIn: „Es hat mich sehr gefreut, dass ich als KI-Expertin auf einer Sitzung der Kabinettsklausur der Bundesregierung auf Schloss Meseberg vortragen durfte.“

Wer ist diese chinesische Frau, die deutschen Ministern Nachhilfe in Sachen KI geben durfte?

1969 in den Wirren der Kulturrevolution geboren, war Feiyu Xu in der Schule stets die Klassenbeste. „Als Schülerin war ich sehr gut in Mathematik und Naturwissenschaften, was mir den Zugang zur Informationstechnologie erleichtert hat“. Sie studierte an der Tongji-Universität in Shanghai technische Übersetzung. Und als sie Anfang 20 war, durfte sie im Ausland studieren. Sie landete in Saarbrücken an der Universität des Saarlandes. Dort studierte sie Computerlinguistik, dort promovierte sie 2007, und später – 2014 – habilitierte sie. Und sie heiratete ihren Professor Hans Uszkoreit (73), ebenfalls eine KI-Koryphäe. Feiyu Xu war jedoch niemand, die sich im wissenschaftlichen Elfenbeinturm verschanzte, sie war immer an praktischen Lösungen interessiert. Schon früh arbeitete sie am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI). Ihr Spezialgebiet ist das Natural Language Processing (NPL). Bis 2017 arbeitete sie beim DFKI. Dann kam der Anruf aus der alten Heimat. Für den Computerkonzern Lenovo sollte sie in Beijing ein KI-Lab aufbauen. Sie und ihr Mann nahmen die Offerte an und wunderten sich, wie anders das Ansehen der Wissenschaftler in China ist: „Die werden dort wie Stars behandelt“, sagt Xu gegenüber „Die Zeit“. In Deutschland hingegen seien Forscher nicht mehr so wertgeschätzt. Trotzdem zog es das Forschungsehepaar 2020 wieder zurück nach Deutschland, nach Berlin. Sie bekam die einmalige Chance, für den Softwarekonzern SAP an führender Stelle die weltweite KI-Strategie zu entwickeln. Ihr Mann arbeitet an dem Large European AI Model (LEAM), eine Initiative der DFKI. Obwohl in unterschiedlichen Funktionen tätig, will das Forscher-Paar Deutschland und Europa helfen, beim Thema KI Anschluss an die beiden führenden Nationen China und USA zu finden. In einem Gespräch mit SiliconRepublic (22. Juni 2022) stellte Xu fest: „When it comes to commercialising AI (Artificial Intelligence) Europe industry has fallen behind the US and China.” Die drei Jahre bei Lenovo hätten ihr die Augen geöffnet: „My recent stay in China made me realize how strongly China embraces AI because the need for automation and intelligence in their civil infrastructure is so urgent.” Sie und ihr Mann plädieren für Zusammenarbeit mit China. Hans Uszkoreit sagt gegenüber „Die Zeit“: „Europa kann es sich nicht leisten, die Verbindung zu diesem riesigen Volk aufzugeben, egal, wer dort regiert.“ Er erzählt geradezu süffisant, dass die meisten KI–Forschungskooperationen mit China die USA hätten. Warum? „Weil sie clever sind und erkannt haben, dass die Vorteile einer wissenschaftlichen Kooperation die Nachteile bei Weitem überwiegen.“ Und dann an die heimische Politik gerichtet: „Nur die Deutschen und die Europäer schienen es bis heute nicht zu begreifen – oder nicht begreifen zu wollen.“ Ob seine Frau in Meseberg die Politiker überzeugen konnte, mehr für KI zu tun, ist nicht überliefert. Sie sagt in der „Zeit“ nur: „Die Politik habe die Dringlichkeit des Themas erkannt.“ Immerhin.

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