WIRTSCHAFT I Wann kommt der chinesische Chatbot? Und von wem?

In Tech-Kreisen weltweit ist ChatGPT das große Thema. Über dieses Tool (https://chat.openai.com/auth/login) kann man wichtige und unwichtige Fragen stellen und bekommt sie mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) schriftlich oder mündlich beantwortet. Oder man kann gar ganze Texte erstellen lassen, die zum Teil durchaus hohen Anforderungen genügen. Entwickelt hat ChatGPT das amerikanische Startup OpenAI, hinter dem auch Microsoft (und auch Elon Musk) als einer der Investoren stecken. Auf den Markt kam ChatGPT im November. Binnen zweier Monate hatte die App über 100 Millionen aktive Nutzer. Es ist inzwischen ein weltweiter Hype um dieses neue Tool entstanden. Viele Unternehmen wollen einen ähnlichen ChatBot auf den Markt bringen – darunter natürlich auch chinesische Firmen. Zeyi Yang stellt in einem Artikel für den„MIT Technology Review“ fest: „A massive competition has developed, with almost every major Chinese tech company announcing plans to introduce their ChatGPT-like product.” Der Aktionismus in China sei getrieben durch ein “mix of excitement and FOMO“. Fomo? Nie gehört, da muss ich ChatGPT fragen. Antwort: Fomo ist das Kürzel für „Fear of Missing Out“ – also die Angst, etwas zu verpassen. Und diese Angst haben viele chinesische Tech-Konzerne, deshalb arbeiten sie fieberhaft an einer chinesischen ChatGPT-Varainte. Am weitesten scheint der Internet-Konzern Baidu zu sein – oft auch als chinesisches Google bezeichnet. Baidu-Gründer Robin Li teilte am 21. Februar in einem internen Brief seinen Mitarbeitern mit, dass Baidu „on top of this new trend“ sei. In einem Earnings Call am selben Tag fügte er hinzu: „We are excited about the opportunity around generative AI.“ Baidu will bereits im März seine Version auf den Markt bringen. Sie wird Ernie heißen. Aber auch andere chinesische Internetunternehmen sind am Start: Alibaba, Tencent, Bytedance, NetEase, JD.com, Qihoo 360 – sie alle wollen mitmischen (dabei ist die Liste bei weitem nicht vollständig). Eine vage Ankündigung reicht, und schon schnellen die Aktienkurse dieser Unternehmen nach oben. Es herrsche eine Art Goldgräberstimmung, stellt die „South China Morning Post“ fest. Auch der Wissenschaftsbetrieb beteiligt sich an dem Rennen. Die renommierte Fudan Universität in Shanghai stellte sogar ihren Chatbot namens Moss ins Netz. Die Nachfrage war so groß, dass nach einem Tag der Server zusammenbrach. Wer sich letztlich in China durchsetzen wird, ist auch eine politische Frage. Chinas Führung steckt dabei in einem Dilemma. Einerseits soll ja China eine führende High-Tech-Nation werden (und gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz wähnt sich das Land nicht zu Unrecht auf Augenhöhe mit den USA), andererseits kann sie keinen Chatbot zulassen, der alle Fragen erlaubt. Aus der Logik der Herrschenden muss dieses Instrument also zensiert werden, was seine Anwendungsgebiete einschränkt. Offenbar sucht Chinas Führung noch nach einer Politik, wie sie diese Chatbots bewerten soll. Beijings Stadtregierung ist überraschenderweise schon mal vorgeprescht. Am 13. Februar hat sie ihr „AI Policy White Paper“ vorgelegt. Darin steht die Empfehlung: „Supporting leading enterprises in creating large models comparable to ChatGPT.” Baidu hat übrigens seinen Sitz in Beijing.

Info:

Hier eine kurze Übersicht, wer in China bei Chatbots am Start ist: https://www.techinasia.com/chinas-bets-ai-chatbot-race

Der Artikel von Zeyi Yang im „MIT Technology Review“: https://www.technologyreview.com/2023/02/15/1068624/chatgpt-race-china-baidu-ai/?utm_source=substack&utm_medium=email

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