Am 1. Februar tauchte auf Twitter ein geleaktes Memo auf. Es stammt vom US Air Force General Mike Minihan. Darin warnt er, dass sich die USA bald in einem Krieg mit China wegen Taiwan befinden werden. Er nannte auch ein Datum: 2025. „My guts tell me that we will fight in 2025“. Auf Deutsch: “Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir 2025 kämpfen werden.“
In amerikanischen Militär- und Geheimdienstkreisen ist es schon seit längerem üblich, Jahreszahlen zu nennen, wann die Volksrepublik China Taiwan angreifen werde und es damit auch zu einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA komme:
- CIA-Chef William Burns verkündete am 2. Februar bei einer Veranstaltung der Georgetown University in Washington: “The US knows as a matter of intelligence that Xi Jinping has ordered the PLA to be ready to invade Taiwan by 2027”.
- Der pensionierte Admiral Philip Davidson, der gerade auf einer sechstägigen Taiwan-Reise war, wiederholte seine schon 2021 vor einem Senatsausschuss gemachte Prognose, dass China 2027 Taiwan attackieren werde. Seine Begründung: In jenem Jahr werde die PLA 100 Jahre alt. Ein Überfall zum Geburtstag sozusagen. Davidsons Projektion hat inzwischen unter dem Namen „The Davidson Window“ einen Stammplatz in der politischen Diskussion.
- Noch früher rechnete Admiral Michael Gilday, Chef der US Naval Operation, mit einer Attacke. Im Oktober 2022 prognostizierte er einen Angriff für das Jahresende 2022.
Dies ist nun bekanntlich vorbei, ohne dass etwas passiert ist. Was soll man also von solchen Prognosen halten? Offenbar ist sich das US-Militär nicht einig. Eine gemeinsame Grundlage für all diese Spekulationen scheint es nicht zu geben. Aber auch die Gegenseite – China – hält sich nicht zurück. Die Drohung, Taiwan notfalls mit Gewalt heim ins Reich der Mitte zu holen, wird stets von chinesischen Politikern wiederholt. Wir sind längst in einer Spirale von Aktion und Reaktion und von gegenseitigen Provokationen.
Dazu zählen auf amerikanischer Seite neben den bellizistischen Gedankenspielen der Militärs zahlreiche Artikel, Bücher und Thinktank-Studien. So hat schon vor zwei Jahren der pensionierte Admiral James Stavridis zusammen mit dem Schriftsteller Elliot Ackerman das Buch geschrieben: „2034: A Novel of the Next World War“, in dem Taiwan eine wichtige Rolle spielt. Letztes Jahr legten die beiden Professoren Hal Brands (John Hopkins University) und Michael Beckley (Tufts University) mit ihrem Buch „Danger Zone“ nach. Untertitel: „The Coming Conflict with China“. Das Center for Strategic and International Studies (CSIS), ein Washingtoner Thinktank, hat gerade in einer Studie „War Games“ simuliert (siehe CHINAHIRN 60). James Holmes (US Naval War College) schrieb soeben einen Artikel mit dem Titel: “A U.S.-China War Over China: How Bad Could It Get?” Diese Liste mit Artikeln, die das Wort „War“ in der Überschrift führen, könnte man fast beliebig verlängern.
Es wird fast nur noch diskutiert, wann der Krieg stattfinden und wer ihn gewinnen wird. Zu diesem Verhalten passt der Begriff der Self-Fulfilling-Prophecy, der sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Man schreibt und/oder redet etwas so lange herbei, bis es tatsächlich eintritt. Wo sind die klugen Artikel, wo sind die Vorschläge von Politikern, wie man einen solchen desaströsen Krieg verhindern kann? Immerhin hat am Montag dieser Woche US-General Charles Brown mahnende Worte gefunden. Er sagte während einer Diskussion bei Brookings: “I don’t see that conflict is imminent or inevitable. The goal is to avoid it, and so not knowing when things might occur.”.
Info:
Hier ein Artikel im “Guardian“ zum Memo von Mike Minihan: https://www.theguardian.com/world/2023/feb/02/us-general-gut-feeling-war-china-sparks-alarm-predictions?ref=upstract.com
Die Rede von William Burns an der Georgetown University: https://isd.georgetown.edu/2023/02/09/watch-trainor-award-ceremony-honoring-cia-director-william-j-burns/
Hier das Statement von Philip Davidson vor dem Senat am 10. März 2021: https://docs.house.gov/meetings/AS/AS00/20210310/111316/HHRG-117-AS00-Wstate-DavidsonP-20210310.pdf
Hier ein Interview mit Mike Gilday beim Atlantic Council am 19. Oktober 2022: https://www.youtube.com/watch?v=7UfKN4oU22g&t=167s