HU IS HU? Kay Feske – ein Architekt, der auf Hainan Würste produziert

Kay Feske (50) studierte Architektur in Wismar, jobbte in einem Büro in seiner Geburtsstadt Goldberg mitten in Mecklenburg-Vorpommern. Alles sah nach einer ruhigen Karriere in heimischen Gefilden aus. Doch wo ist Feske gelandet? Auf der chinesischen Urlauber-Insel Hainan. Und als Architekt arbeitet er dort längst nicht mehr. Er produziert Wurstwaren. Ein deutscher Architekt, der in China tonnenweise Bratwürste und andere Delikatessen herstellt – das Leben bietet spannende Geschichten. Dies ist so eine und muss deshalb hier unbedingt erzählt werden.

Die Story begann im Ingenieurbüro Kurth in Goldberg. An Feskes Arbeitsstätte tauchte eines Tages eine Chinesin namens Yang Aiwei auf, um dort ein Praktikum zu machen. Sie hatte zuvor in Neubrandenburg Landschaftsarchitektur studiert. Na ja, wenn Mann auf Frau trifft, kann schon mal so etwas wie Liebe entstehen, was in diesem Falle prompt eintrat. Dumm nur, dass Aiwei im Juli 2004 nach Hainan ging, um dort bei einem GIZ-Projekt mitzuarbeiten. Kay besuchte sie im Oktober. Vier Wochen Urlaub waren geplant. Aus vier wurden acht Wochen, dann vier Monate, und dann blieb er ganz. Er jobbte erst in einem chinesischen Architekturbüro, dann machten sich 2006 Kay und seine Frau – inzwischen hatten sie geheiratet – in Haikou, der Hauptstadt der Insel, selbständig. Sie zahlten schnell Lehrgeld: „Die Projekte sind hier so groß, da kommt man als kleines Büro nicht rein“, sagt Feske. Sie konzentrierten sich deshalb auf Landschaftsarchitektur. Aber das Baugewerbe ist vor allem in China ein zyklisches Geschäft. Boom und Baisse wechseln sich ab. Das Ehepaar entschied: Wir brauchen ein zweites Standbein. 2009 eröffneten sie in Haikou ein deutsches Restaurant. Es floppte. Dann kam 2013 die zweite Chance. Sie lernten auf Hainan Klaus Dolleschall kennen, einen österreichischen Metzger. Der sollte auf der Insel eine Wurstproduktion starten, aber das Projekt scheiterte schon in der Planungsphase. Das Architektenpaar witterte eine Chance und sah sich an: „Warum machen wir das nicht?“ Es dauerte aber noch gut zwei Jahre, aber im April 2015 war es soweit. Sie gründeten Hainan Rainers Food (wie es zu dem Namen kam, ist eine längere, eine andere Geschichte). Mit Klaus fachlicher Expertise, welcher auch bis heute als Advisor aus der Ferne mit Rat zur Verfügung steht, mieteten sie eine Halle in Dingan nahe Haikou, bauten diese nach Ihren Bedürfnissen aus und holten sowohl Maschinen wie auch den damals 62jährigen Metzgermeister Helmut Freye aus Deutschland.

Fehlten nur noch die Kunden. Sie klapperten die Hotels auf der Insel ab, sprachen sowohl mit den Chefs als auch den Food- & Beverages-Managern, die stets bekundeten: Wir brauchen Qualitätsprodukte. „Aber dem war letztendlich nicht ganz so“, sagt Feske, „denn sie zogen oft die schlechteren, aber billigeren Waren vor.“ Doch neben Frust hatten er und seine Frau auch Glück: Der General Manager (GM) im Sheraton Yalongbay war ein Deutscher und ermöglichte ihnen die Teilnahme an einem Group Purchasing Wettbewerb für Frühstückswürste – und sie gewannen. „Mit einem Schlag hatten wir acht Hotels als Kunden“, sagt Feske. Neben Würstchen fürs Frühstück orderten sie auch Wurstwaren für Barbecues und Buffets. „Das waren Produktionsmengen, die uns halfen, die ersten ein, zwei Jahre zu überleben“, erklärt Feske. Weil Hotelmanager häufig wechseln, weitete sich das Vertriebsnetz von Rainers Food über Hainan hinaus aus. Zum Beispiel ging der GM des Interconti nach Xiamen, der GM des Mandarin nach Shanghai – und sie nahmen den Kunden einfach mit. Feske war gut im Hotelbusiness etabliert. Und dann kam 2020 Corona. „Das war existenzbedrohend“, sagt Feske, zumal er auch gerade begonnen hatte die Produktion zu erweitern. Das Ehepaar musste wieder mal umdenken. Sie starteten einen Direktvertrieb. Über die Online-Portale Tmall und WeChat versuchten sie, ihre Würste an Privatkunden zu verkaufen. Über Tmall sprechen sie chinesische Kunden an, über WeChat Expats. Inzwischen verkaufen sie Wurstwaren bis inn den hohen Norden nach Changchun, Shenyang und Harbin. Besonders beliebt bei den Chinesen sind Käsekrainer. Dafür hat er inzwischen auch einen Großkunden in Shenzhen gefunden, der diese an Sam´s Club weiterverkauft. Einstieg in den Großhandel, wachsender Direktvertrieb und das langsam wieder anziehende Hotelgeschäft – Feske ist wieder optimistisch für seinen 25-Mann-Betrieb. Helmut, der deutsche Meister, hat sich zwar inzwischen mit 67 Jahren verabschiedet. Aber „unsere chinesischen Angestellten sind ausgezeichnet ausgebildet“, sagt Feske. Sie alle gingen durch eine harte Schule, reden aber bis heute voller Ehrfurcht über ihren Lehrmeister. Zumal keiner von ihnen vorher etwas mit Fleischverarbeitung zu tun hatte. Der chinesische Meister, welcher für Helmut zu einer Art Sohn wurde, arbeitet auf eigenen Wunsch weiterhin mit den deutschensprachigen Rezeptblättern, obwohl er kein Deutsch spricht.

Und wenn Not am Mann ist, springt auch Kay Feske ein. Der Architekt hat inzwischen ein tiefes Wissen über die Wurstproduktion. Er ist für die Technik, seine Frau als Geschäftsführerin für alles andere zuständig („ohne ihre Hingabe hätte das alles nie funktioniert“). Inzwischen hat Kay Feske auch einen entsprechenden Spitznamen. In Haikou beliefert er eine Bäckerei. Als er da mal wieder zur Tür hereinkam, sagte dessen amerikanische Besitzer zu einem anwesenden Bekannten: „This is Kay, Kay the sausage guy.“ 

Info:

Hier ein kurzes Video über Kay Feske: https://xhnewsapi.xinhuaxmt.com/share/news_pc?id=758164012445696&showType=3008&utdId=null&version=3.1.1&projectSource=1&clientMarket=huawei

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