In Deutschland gibt es an vielen Universitäten, aber auch an einigen Fachhochschulen die Möglichkeit Sinologie oder sogenannte Kombi-Studiengänge – meist mit Wirtschaft – zu studieren. Die Unis haben dabei unterschiedliche Schwerpunkte. Manche lehren vorwiegend das moderne China, manche eher das alte China, die meisten beides. In dieser Serie werde ich die sinologischen Abteilungen an den deutschsprachigen Universitäten und ihre Geschichte, ihre Schwerpunkte und ihre Lehrenden vorstellen. Heute ist die Ruhr-Universität Bochum (RUB) dran.
Die Geschichte: Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) ist eine relativ junge Hochschule. Im Juli 1961 beschloss der Landtag in Nordrhein-Westfalen, in Bochum eine neue Universität zu bauen. Sie war die erste neue Universität der Bundesrepublik. Im Süden Bochums auf einer Anhöhe über der Ruhr wurde ein komplett neuer Campus gebaut, dessen Beton-Architektur durchaus umstritten war. Bereits im Juni 1965 fand die feierliche Eröffnung statt, ehe im folgenden November dann der Lehrbetrieb aufgenommen wurde. Bochum war eine der sogenannten Reformuniversitäten, bei denen unter anderem der interdisziplinäre Charakter stärker betont werden sollte, indem die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen miteinander verknüpft wurden. Deshalb gab es auch von Anfang an keine Sinologie, Japanologie oder Koreanistik, sondern diese Fächer wurden in die Fakultät Ostasienwissenschaften integriert, die die Regionen China, Japan, Korea und Zentralasien umfasste.
Die Lehrenden: Die Fakultät Ostasienwissenschaften der RUB gliedert sich in mehrere sogenannte Fachgebiete. Was China betrifft sind das folgende: Geschichte Chinas (Leiterin: Christine Moll-Murata), Sprache und Literaturen Chinas (Christian Schwermann), Politik Ostasiens (Jörn-Carsten Gottwald), Internationale Politische Ökonomie Ostasiens (Sebastian Bersick) und Religionen Ostasiens (Jörg Plassen). Diese Dame und diese Herren sind alle Professoren. Vier von ihnen habe ich angeschrieben, um aus erster Hand mehr über das Studium an der RUB zu erfahren. Aber keiner hat geantwortet. Da bin auch ich sprachlos, denn in allen 18 zuvor vorgestellten Unis gaben mir Professoren gerne Auskunft. Immerhin antwortete der emeritierte Professor Heiner Roetz (72), einer der prägenden Sinologen der RUB und zeitweise Dekan der Fakultät Ostasienwissenschaften, auf meine Anfrage, um mir aber mitzuteilen: „Für die Bochumer Sinologie kann ich als längst Pensionierter nicht mehr sprechen.“ Um aber dann doch noch eine kurze Einschätzung hinterherzuschicken: „Herr Gottwald und Herr Bersick werden sich allerdings primär als Politologen verstehen.“ Deshalb hier nur eine kurze Beschreibung der „lupenreinen“ Sinologen. Christine Moll-Murata studierte Sinologie einst in Heidelberg und Bochum und habilitierte in Tübingen. Sie ist auch Leiterin der Taiwanforschungsstelle an der RUB. Ihr Schwerpunkt ist vor allem die Geschichte der Arbeit, des Handwerks und der Wirtschaft allgemein. Christian Schwermann studierte u.a. Sinologie in Bonn. Dort promovierte er auch, ehe er 2014 an der Uni Münster habilitierte. Seit 2016 hat er an der RUB den Lehrstuhl für Sprachen und Literaturen Chinas. Seine Schwerpunkte sind u.a die Didaktik, Grammatik und Rhetorik des klassischen Chinesisch. Daneben ist er auch Geschäftsführer des 2019 gegründeten Center for the Study of Traditional Chinese Cultures. Man beachte den Plural bei Cultures, denn hier soll untersucht werden, ob es denn überhaupt die eine chinesische Kultur gibt.
Das Studium: Die RUB bietet ein Studienprogramm an, „das sich durch außerordentliche Breite und Methodenvielfalt auszeichnet“. So die Eigenwerbung auf der Homepage der Fakultät. Es gibt drei verschiedene Bachelor-Studiengänge: Sinologie, Wirtschaft und Politik Ostasiens sowie Sprachen und Kulturen Ostasiens. In allen drei Studiengängen wird auch ein Master angeboten und zudem noch ein Master in Ostasienwissenschaften. Der Sinologie-Bachelor ist kein Mono-Bachelor, das heißt man muss ein zweites Fach dazu nehmen. Die Studiendauer sind sechs Semester, ein Auslandssemester ist nicht vorgeschrieben. Der Bachelor-Studiengang Wirtschaft und Politik Ostasiens ist eine Kombination von Regional- und Politikwissenschaft bzw. Volkswirtschaftslehre sowie Sprache. Beim Bachelor-Studiengang Sprachen und Kulturen Ostasiens wählt man eine der drei Sprachen Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch als Hauptsprache plus eine weitere als Ergänzung. Dieses Studium besteht aus acht Semestern, weil im siebten Semester ein Auslandsaufenthalt vorgesehen ist. Bei den Masterstudiengängen sticht insbesondere der Master in Ostasienwissenschaften hervor. Er ist einmalig in Deutschland, denn er – so die Fakultät auf ihrer Homepage – „bietet in Form eines Fächergrenzen übergreifenden Curriculums die Möglichkeit eines flexiblen, durch persönliches Forschungsinteresse geleiteten Studiums mit individueller Schwerpunktsetzung“. Wer übrigens glaubt, dass die moderne RUB auf klassisches Chinesisch verzichtet, der täuscht sich. Also gilt die Devise:
„Auf alle Fälle fleißig sein“, sagte Christiane Moll-Murata in einem Youtube-Video, „das Tempo ist rasant.“ Das Video stammt zwar aus dem Jahre 2012, aber das Tempo beim Chinesisch-Pauken hat die RUB nach allem, was man weiß, beibehalten.
Info:
Hier die Homepage der Fakultät Ostasienwissenschaften: https://www.ruhr-uni-bochum.de/oaw/de/index.shtml
Und hier die der Sektion Sprache und Literatur Chinas: https://www.ruhr-uni-bochum.de/oaw/slc/index.html