Am 7. Oktober veröffentlichte das Bureau of Industry and Security (BIS) im US-Handelsministerium ein Dokument, das sehr technisch klingt, aber weitreichende geopolitische Folgen hat. Es ist – das kann man ohne Übertreibung sagen bzw. schreiben – eine „Kriegserklärung“ an China. Nachdem der Handelskrieg aus amerikanischer Sicht nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, tobt nun ein Technologie-Krieg zwischen den beiden Supermächten. Im Mittelpunkt steht dabei ein Produkt: Der Chip – dieses kleine Wunderding, ohne das heutzutage fast kein Produkt, keine Maschine, keine Anlage mehr funktioniert. Die US-Führung hat richtig erkannt, dass Chips der große wunde Punkt Chinas sind. Das Land produziert selbst viel zu wenig Chips und die, die sie herstellen, sind nicht technologische Spitze. Natürlich weiß auch Chinas Führung um die Defizite und versucht schon seit Jahren mit viel Geld ihre Chipindustrie aufzurüsten. Dies wiederum wollen die USA verhindern. Deshalb dieser Beschluss vom 7. Oktober. Danach dürfen 31 chinesische Firmen nicht mehr mit hochwertigen Chips und Maschinen zur Chipproduktion beliefert werden. Außerdem dürfen – und dies ist eine weitere Eskalation – keine US-Bürger mehr für chinesische Chipfirmen arbeiten. An das Verbot der Zusammenarbeit müssen sich nicht nur amerikanische, sondern auch nicht-amerikanische Firmen halten, sonst bekommen sie Probleme in und mit den USA. Ohne die Kooperation der nicht-amerikanischen Chip-Unternehmen können die USA ihre Sanktionen nicht durchsetzen, denn die USA sind bei den Chips längst nicht mehr führend. Die großen und auch technologisch führenden Hersteller kommen aus Taiwan (TSMC) und Korea (Samsung und SK Hynix). Und auch der Weltmarktführer bei Maschinen für die Chipherstellung kommt nicht aus den USA, sondern mit ASML aus den Niederlanden (siehe CHINAHIRN 49). Alle diese Firmen müssen bei dem amerikanisch initiierten Boykott mitziehen, was sie einiges an Umsatz kostet. Und auch die amerikanischen Chipfirmen, die nun nicht mehr nach China liefern dürfen, müssen mit herben Umsatzeinbußen kalkulieren. Das betrifft sowohl die Chiphersteller und -entwickler AMD und Nvidia als auch die Zulieferer Applied Materials, Lam Research und KLA, die zwischen 26 und 33 Prozent ihres Umsatzes in China machen. Der fällt nun weg. Und diese Firmen müssen nun auch ihre amerikanischen Mitarbeiter aus China abziehen. So hat beim führenden chinesischen Chiphersteller Yangtze Memory Technologies bereits ein Exodus amerikanischer Mitarbeiter stattgefunden, die im Auftrag der US-Firmen Maschinen aufbauen und warten. Die amerikanischen Sanktionen, die seit dem 21. Oktober in Kraft sind, werden China vorerst hart treffen. Vor allem die Zukunftsbereiche Künstlichen Intelligenz und Autonomes Fahren sind auf hochwertige Chips angewiesen. Das sind genau die Bereiche, in denen China stark werden will. Wie China auf diese Kriegserklärung der USA reagieren wird, ist noch nicht klar. Es kursieren Vorschläge, dass man Sanktionen gegen Apple oder Tesla verhängen solle, die in China gute Geschäfte machen, aber auch viele Arbeitsplätze schaffen. Was aber China auf jeden Fall machen wird: Unter Führung des MIIT (Ministry of Industry and Information Technology) werden die Anstrengungen verstärkt werden, mit viel Geld und vielen Wissenschaftlern an der Entwicklung neuer Chips zu arbeiten, um sich vom Rest der Welt unabhängig zu machen.
Info:
Hier ist die Ankündigung der Strafmaßnahmen des BIS im Wortlaut: https://www.bis.doc.gov/index.php/documents/about-bis/newsroom/press-releases/3158-2022-10-07-bis-press-release-advanced-computing-and-semiconductor-manufacturing-controls-final/file?utm_source=SupChina&utm_campaign=0349bebd14-EMAIL_CAMPAIGN_2022_10_10_08_55&utm_medium=email&utm_term=0_03c0779d50-0349bebd14-165929806
Hier eine Studie von Rhodium über „The Impact of US Tech Control in China“ : https://rhg.com/research/freeze-in-place/?utm_source=substack&utm_medium=email