HU IS HU? William Lindesay, der (fast) jeden Stein der Chinesischen Mauer kennt

Die chinesische Mauer ist 2470 Kilometer lang. Nur wenige kennen die gesamte Strecke. William Lindesay (66) zählt dazu. Man muss schon etwas verrückt sein – und vielleicht auch noch in Personalunion Engländer – um diese Strecke über Berg und Tal abzulaufen. Lindesay hat dies 1987 getan. 78 Tage war er damals unterwegs. Neunmal wurde er von der Polizei angehalten, zweimal arrestiert, aber er ließ sich nicht aufhalten. Er war der erste Ausländer, der diese Tort(o)ur schaffte, Und by the way lernte er auch noch seine Frau Qi kennen. Der studierte Geograph war damals ein durchtrainierter Marathonläufer (Bestzeit: 2 Stunden 39 Minuten). 1984 hatte er schon an einem Rennen entlang des Hadrianswall teilgenommen. Er hatte also schon Erfahrung als Mauerläufer, wobei Hadrianswall mit 117 Kilometern Länge nur ein müder Aufgalopp war. Lindesay war auf die chinesische Mauer fixiert, seit er als Schüler in einem Atlas zum ersten Mal von der Existenz des gigantischen Bauwerks erfahren hatte. 1986 machte er den ersten Anlauf, den er aber abbrechen musste, ehe es dann aber 1987 klappte. Zwei Jahre später veröffentlichte er darüber ein Buch: „Alone on the Great Wall“. Es war der Beginn einer Beziehung, die ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen sollte. Er vertiefte sich immer mehr in die Geschichte der Mauer, zog mit seiner Frau in ein Farmhaus neben der Mauer, 67 Kilometer nördlich von Beijing. Sie lebten von Führungen, und er schrieb weitere Bücher. Lindesay wurde der größte ausländische Experte der Mauer. Die Queen adelte ihn, Beijing verlieh ihm die höchste Medaille, die das Land an Ausländer zu vergeben hat, den Friendship Award. Die beiden Söhne Jim und Tommy wuchsen an und mit der Mauer auf, auch wenn sie später zum Studieren an die Peking Universität (Beida) gingen. Diese beiden waren es auch, die im Sommer 2015 ihren Vater drängten, eine Drohne zu kaufen, um ein Jahr später ein weiteres gigantisches Projekt durchzuziehen: Ein Porträt der Mauer aus der Luft. Im Sommer 2016 zog die Familie mit zwei Drohnen die Mauer entlang. 15 000 Kilometer waren sie in 60 Tagen unterwegs, rechnet Lindesay vor. Heraus kam ein sensationell guter Film: „A Slow Odyssey: The Great Wall of China“. Er lief 2019 auf BBC Four.  Weil in Corona-Zeiten die Touristen ausblieben und er deshalb keine Führungen machen konnte, fing Lindesay an, seine Memoiren zu schreiben. In sechs Monaten produzierte er 138 Kapitel, die dann auf 100 zusammengekürzt wurden. Aber das waren trotzdem noch zu viel. Deshalb gibt es zwei Bände. Der erste ist soeben erschienen und heißt: „Wild Wall – The Foundation Years“.

Info:

Ein kleiner Ausschnitt des BBC-Films ist hier zu sehen:https://www.bbc.co.uk/programmes/p06zqnmg

Hier erzählen die Lindesays etwas über die Entstehung des Films:

https://www.bbc.com/news/world-asia-china-38127250

Und hier geht es zur Homepage von Lindesay: www.wildwall.com

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