Wenn China aggressives Verhalten vorgeworfen wird, wird meist auf eine Region verwiesen: das Südchinesische Meer. Dort erhebe China – so der Vorwurf des Westens und der Anrainerstaaten – ungerechtfertigte Gebietsansprüche und erkläre mit seiner „Nine-Dash-Linie“ fast das gesamte Südchinesische Meer zu seinem mare nostrum. China habe dort einen „assertive unilateralism“ betrieben, schreiben auch die beiden Autoren Mark Raymond (University of Oklahoma) und David Welch (University of Waterloo, Kanada) in ihrem Beitrag „What´s Really Going On in the South China Sea“. Aber – und das ist das Neue in ihrer Argumentation – diese Phase des „assertive unilateralism“ habe im Sommer 2016 plötzlich geendet. Zu diesem Zeitpunkt gab der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag den klagenden Philippinen Recht und verurteilte Chinas Expansionspläne. Das Urteil ist freilich nicht bindend, und China erkennt dieses Urteil auch nicht an. Aber trotzdem zeige dieses Urteil bei China Wirkung, argumentieren Raymond und Welch: „Remarkably, it (China) quietly began to comply.“ Anhand mehrerer Beispiele zeigen die Autoren, dass sich China in den Folgejahren im Südchinesischen Meer zurückgenommen habe und sich an das Haager-Urteil halte. Trotzdem wird im Westen weiterhin am Narrativ des aggressiven China festgehalten. „We argue that this narrative misreads both the substance and dynamics of recent Chinese policy”, halten die Autoren in ihrem Beitrag im “Journal of Current Southeast Asian Affairs” des Hamburger GIGA-Instituts dagegen. Aber so ganz trauen die Autoren dem Frieden dann doch nicht: „There are worrisome signs that China may once again be flirting with assertive unilateralism.“
Info:
Der Beitrag „What´s Really Going On in the South China Sea?” ist hier erschienen:
https://www.researchgate.net/publication/359383268_What%27s_Really_Going_On_in_the_South_China_Sea