POLITIK I China und die Dritte Welt – Partner gegen den Westen

Anfang Juni fand in Los Angeles der „Summit of the Americas“ statt. Das Gipfeltreffen aller Staaten des amerikanischen Kontinents. Aller? Ein paar wurden vom Gastgeber USA nicht eingeladen, ein paar solidarisierten sich mit den nicht Eingeladenen. So geriet der Gipfel zur Farce. Die USA beherrschen nicht mehr ihren „Hinterhof“, wie Lateinamerika einst despektierlich genannt wurde. Irgendwie war dieser Gipfel symptomatisch für den schwindenden Einfluss der USA, ja des gesamten Westens in den Regionen, die man früher mal die Dritte Welt nannte. Im Gegenzug hat China sein Engagement in den Staaten Lateinamerikas, Asiens und vor allem Afrikas systematisch ausgebaut.

Wie konnte es dazu kommen? „China has a plan, we don´t have a plan”, sagte kürzlich US-Senator Edward Markey in einem Senats-Hearing. Ja, China hat eine Strategie. Die amerikanische Sinologin und Thinktankerin Nadège Rolland (The National Bureau of Asian Research) nennt sie soeben in einem Foreign-Affairs-Artikel  “China´s Southern Strategy”. Der globale Süden – unter dem sie die Entwicklungs- und Schwellenländer der südlichen Hemisphäre subsummiert – sei mittlerweile in der Einflusssphäre Chinas und damit „a strong base for China´s power, that could help spell the end of U. S. global hegemony“.  Rolland beschreibt, wie China seit Jahrzehnten die Dritte Welt hofiert. Das fing schon unter Mao Zedong an. Damals wähnte sich Maos China im gemeinsamen Kampf gegen die imperialistischen Kolonialmächte und unterstützte deshalb die Befreiungsbewegungen. Unter Nachfolger Deng verabschiedete man sich von dem revolutionären Pathos. Jetzt wurden die inzwischen unabhängigen Staaten der Dritten Welt nüchtern ökonomisch betrachtet – als Quelle von Energie und Rohstoffen sowie als Absatzmarkt. Später, unter Xi Jinping kam die strategische Komponente hinzu. Siehe auch seine Belt-and-Road-Initiative, das Projekt Neue Seidenstraße. Rolland: „There is no doubt that China now sees the developing world as a theater of growing strategic significance.“ So war es kein Zufall, dass Xis erste Reise nach Amtsantritt nach Afrika führte. Überhaupt Afrika – für China ist es nicht der verlorene Kontinent, sondern ein Kontinent der Zukunft, dem es schon frühzeitig Aufmerksamkeit schenkte. Seit 31 Jahren tourt zum Beispiel der chinesische Außenminister traditionell zu Beginn jeden Jahres durch diverse afrikanische Länder. So besuchte der aktuelle Außenminister Wang Yi im Januar dieses Jahres Eritrea, Kenia und die Komoren. Vor der Abreise sprach er über seine persönliche Bilanz („Das ist meine 17. Reise nach Afrika“) und die Investitionen seines Landes in Afrika: über 10 000 Kilometer Eisenbahnen, 100 000 Kilometer Straße, 1000 Brücken und 100 Häfen hätten chinesische Firmen bislang gebaut. Dazu kamen unzählige Krankenhäuser und Schulen. Plus – das füge jetzt ich dazu – ein paar Paläste für die Potentaten diverser afrikanischer Länder. Der chinesische Staat baut Infrastruktur, Chinas Unternehmen setzen auf den afrikanischen Markt, wo in den nächsten Jahren eine Mittelschicht heranwächst. Das ist ein anderer strategischer Ansatz als der der USA. Ian Taylor, der inzwischen verstorbene Afrika-Experte an der University of St. Andrews, sagte einst gegenüber CNN: „The Americans seem to look at Africa through its security lens which is completely different from the Chinese perspective. They look at it from an economic perspective.”

Mit dieser Strategie des wirtschaftlichen Primats hat China auch Südamerika und Teile des nichtindustrialisierten Asiens „erobert“. China ist inzwischen größter Handelspartner in beiden Regionen. Möglich wurde diese Dominanz auch, weil der Westen – die USA und Europa – die Dritte Welt lange Zeit stiefmütterlich behandelt haben. Es gab viele Sonntagsreden in Washington und Brüssel, aber ihnen folgten wenige Taten. Jüngstes Beispiel: Im Mai hatte Joe Biden die Staaten des südostasiatischen Verbunds Asean zu einem Gipfel in Washington zu Gast. Man klopfte sich gegenseitig auf die Schultern und die USA versprachen 150 Millionen Dollar für Infrastruktur und Pandemiebekämpfung. China hatte wenige Monate zuvor den Asean-Staaten 1,5 Milliarden Dollar spendiert. 

Info:

Der Foreign-Affairs-Artikel von Nadège Rolland: https://www.foreignaffairs.com/articles/china/2022-06-09/chinas-southern-strategy

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