POLITIK I Eine Reise nach Xinjiang

Das Timing war ideal und natürlich geplant. Am Montag, den 23. Mai, landete die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet in China zu einer sechstägigen Inspektionsreise in die Uiguren-Provinz Xinjiang. Und einen Tag später veröffentlichte eine Armada westlicher Medien – von BBC über Le Monde bis zum Spiegel – die Xinjiang Policy Papers. Darin sind Fotos von Umerziehungslagern und Hunderten von Inhaftierten zu sehen. Außerdem werden dort vertrauliche Behördenanweisungen veröffentlicht und geheime Reden von Funktionären. Alles Belege für eine Masseninhaftierung von Uiguren in der Provinz Xinjiang.

Die Informationen stammen wieder einmal von Adrian Zenz, der in der Nähe von Washington sitzt und die vielen Daten auswertet. Er sagt, sie seien ihm zugespielt worden. Von wem? Einem Hacker, der die Daten aus einem Polizeicomputer in Xinjiang klaute. Der Deutsche Zenz ist eine zentrale Figur, aber über ihn weiß man relativ wenig. Macht er diese Mammutarbeit alleine oder hat er Helfer, vielleicht sogar vom CIA? Wer finanziert ihn? Welche Rolle spielt die „Victims of Communism Memorial Foundation”, für die er arbeitet? Wie gut kann er Chinesisch? Vielleicht sollten die investigativen Journalisten sich auch mal um diese Fragen kümmern, denn sie gehören zum Gesamtbild dazu.

Aber zurück zur Hauptsache, den Xinjiang Policy Papers. Sie belasteten den Besuch Bachelets, der sowieso sehr umstritten war. Im Vorfeld monierten Politiker und Menschenrechtsorganisationen diese Reise, weil sie vermuteten, dass Bachelet sich nicht frei bewegen könne und nur ausgewählte Objekte zu sehen bekomme. Die Chilenin reiste trotzdem. Erst nach Guangzhou, wo ihr erstmal die Erfolge der chinesischen Armutsbekämpfung gezeigt wurden und wo sie eine Rede an der Uni hielt. Dann ging es weiter nach Xinjiang, für zwei Tage nach Urumqi und Kashgar. Dort besuchte sie ein Gefängnis und die Kashgar Experimental School, ein ehemaliges Vocational Education and Training Centre (VETC). 

Am Ende ihrer Reise landete sie wieder in Guangzhou, wo sie eine virtuelle Pressekonferenz abhielt. Dort sagte sie: „This was not an investigation. This visit was an opportunity to hold direct discussion.“ Zu den Papers sagte sie nichts. Danach hagelte es verheerende Kritik in den Medien. Georg Fahrion kommentierte im Spiegel: „Bei ihrem Besuch in Xinjiang ist Michelle Bachelet der chinesischen Propaganda aufgesessen und hat der Sache der Uiguren geschadet. Für ihr Amt hat sich die oberste Menschenrechtlerin der Uno damit disqualifiziert.“

In China hingegen war man mit Bachelets diplomatisch-abwägendem Statement zufrieden. Vize-Außenminister Ma Zhaoxu ging – ebenfalls bei der Pressekonferenz in Guangzhou – auf die Papers ein und sagte, Chinas Regierung  „resolutely opposes smearing and attacking China with lies and disinformation“. Aber China muss mehr bieten als nur die pauschale Nummer mit der Lüge. In den Papers stehen sehr konkrete Anschuldigungen. Es werden Personen und Orte genannt. Wenn diese Fakes wären, könnten die chinesischen Behörden sie doch locker widerlegen. Aber sie tun es nicht. Warum? Sie verweigern die Auskunft mit dem Hinweis auf innere Angelegenheiten, die den Rest der Welt nichts angehen. Mit dieser Abwehrhaltung kann und darf Chinas Führung nicht mehr durchkommen, denn die Uiguren-Frage ist mittlerweile zu einem ernsthaften Problem der Weltpolitik geworden. Sie belastet zunehmend die Beziehungen Chinas zum Westen und hat gewaltiges Expansionspotential.  

Info:

Die von der BBC aufbereiteten Xinjiang Police Papers: https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-8df450b3-5d6d-4ed8-bdcc-bd99137eadc3

Die Pressekonferenz von Michele Bachelet am 28. Mai in Guangzhou: https://www.ohchr.org/en/statements/2022/05/statement-un-high-commissioner-human-rights-michelle-bachelet-after-official

Die Reaktion Chinas durch Vize-Außenminister Ma Zhaoxu: http://www.chinaview.cn/20220529/af25058f258140bfb9eb2a9ac1c9d3b5/c.html

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