POLITIK I CDU und SPD positionieren sich gegenüber China neu

Lars Klingbeil ist derzeit auf Mea-Culpa-Tour. Ja, man habe in der SPD Russland falsch eingeschätzt, spricht der SPD-Vorsitzende in viele Mikrofone. Ja, „Wandel durch Handel“ habe nicht funktioniert. Ja, man sei in eine gefährliche Abhängigkeit von Russland bei der Energie geraten. Und weil sich diese Blauäugigkeit nicht wiederholen soll, spannt er zugleich den Bogen zu China. „Deutschland dürfe sich nicht in eine einseitige Abhängigkeit von China bringen“, sagte er gegenüber der Welt am Sonntag. Auf Phoenix ergänzte er: „Im Umgang mit China müssen wir heute anders auftreten und kritischer sein.”

Bereits am 18. März hat Klingbeil vor der Friedrich-Ebert-Stiftung so etwas wie eine außenpolitische Grundsatz-Rede gehalten. Darin formulierte er vier Thesen angesichts der allseits beschriebenen Zeitenwende. Auf China war insbesondere These 3 gemünzt: „Wir müssen unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von autoritären Staaten drastisch reduzieren.“ Klingbeil führte weiter aus: „Ich will hier ausdrücklich noch mal China nennen. Ich möchte nicht, dass wir in fünf oder zehn Jahren festhalten, was wir auf der einen Seite energiepolitisch versäumt haben, haben wir auf der anderen Seite in der Technologiepolitik oder im Bereich der Medizin zugelassen. Es gilt jetzt, Konsequenzen auch für unseren Umgang mit China zu ziehen und ganz klar zu sagen: Wir wollen nicht abhängig sein von autoritären Regimen!“ Wie die Konsequenzen aussehen könnten, soll nun die Kommission Internationale Politik (KIP) unter Leitung von Lars Klingbeil erarbeiten. Sie soll – so eine Partei-Sprecherin – den Begriff „Zeitenwende“ ausbuchstabieren und künftige Grundsätze sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik bestimmen. 

Die Konkurrenten von der Opposition sind da schon weiter. Am 2. Mai tagten die Präsidien von CDU und CSU in der Kölner Flora und verabschiedeten dort die „Kölner Erklärung“. Auf elf Seiten wurden Gedanken über – so der Titel der Erklärung – „Sicherheit in neuen Zeiten“ niedergeschrieben. Schon im ersten Satz heißt es: „Der Wettbewerb der politischen Systeme ist zurück“. Es treten an: Freiheitliche Demokratien gegen autoritäre Regime. Zu letzteren zählen die Autoren natürlich China, obwohl das Land nur einmal expressis verbis in dem Text auftaucht. Aber es ist klar, dass das Land gemeint ist, wenn von wirtschaftlichen Abhängigkeiten geredet wird, die künftig anhand eines (nicht näher definierten) Gefahrenradars vermessen und bewertet werden sollen. Deutschland brauche – so die Forderung in dem Papier – eine neue Globalisierungsstrategie, die sich mehr mit den Wachstumsmöglichkeiten der EU, den  USA und Afrikas beschäftigen soll. Dazu müsse der Freihandel mit anderen Demokratien verstärkt werden. Wie aber die gewünschte Reduzierung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China erfolgen könnte, steht nicht in dem Papier. Ist ja auch nicht so einfach. Man müsste ja den Unternehmen vorschreiben, wo sie investieren und mit wem sie Handel treiben dürfen Das wäre mit einem freiheitlichen Wirtschaftssystem, das die CDU so gerne verteidigt, jedenfalls nicht vereinbar.

Info:

Die am 2. Mai beschlossene Kölner Erklärung von CDU und CSU: https://assets.ctfassets.net/nwwnl7ifahow/314jweDCESv75ldFw7blrb/f0b3f2cc4c7c1ebb7800d239c11443dc/Koelner_Erklaerung_CDU_CSU_Praesidien_beschlossen_final.pdf

Die Klingbeil-Rede vor der Friedrich-Ebert-Stiftung am 18. März: https://www.spd.de/aktuelles/detail/news/wir-erleben-gerade-eine-zaesur/21/03/2022/

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