OLD CHINA HANDS I Bettina Schön-Behanzin, Managerin in Shanghai

Bettina Schön-Behanzin ist derzeit gefragt. Gerade wurde sie von AFP interviewt, ein weiteres mit Bloomberg folgt. Dazwischen das Gespräch mit CHINAHIRN. Die Managerin und Vizepräsidentin der Europäischen Handelskammer in China antwortet in ihrer Wohnung im französischen Viertel in Shanghai. Nach einer Deutschland-Reise ist sie in Home-Quarantäne, aber derzeit ist ja ganz Shanghai in Quarantäne. Alle wollen wissen, wie die Stimmung im abgeriegelten Shanghai ist. „Es ist gruselig“, sagt sie. So etwas hat sie noch nie erlebt. Und sie hat viel erlebt in diesen nunmehr 26 Jahren, in denen sie in Shanghai wohnt und arbeitet und in den über 40 Jahren, in denen sie sich mit China beschäftigt.

Mitte der 80er Jahre fing sie mit dem Sinologie-Studium in Bonn an. Interesse für Sprachen, Neugier für das fremde, sich öffnende Land waren ihre Motive. Und sie dachte auch an ihre berufliche Zukunft: „Ich hatte von Anfang an die Idee, dass ich für ein Unternehmen in China arbeiten möchte.“ Deshalb nahm sie Betriebswirtschaftslehre als Nebenfach. „Es war ein Herantasten an das Chinesische“, so beschreibt sie ihre ersten Semester. 1988 machte sie ihr Auslandsjahr an der Fudan in Shanghai. Es war ein entscheidendes Jahr: „Danach war für mich klar, dass dieses Studium die richtige Wahl war.“

Nach dem Abschluss, den sie in Bochum machte, bewarb sie sich bei mehreren Unternehmen. Es gab viele Absagen: „Als Sinologin war man damals nicht wirklich willkommen.“ Ein hessischer Mittelständler aber erkannte frühzeitig die Zeichen der Zeit: Rittal, Hersteller von Schaltschränken. Das Unternehmen plante einen Markteintritt in China und suchte jemand, der China versteht. 1992 fing Schön-Behanzin bei Rittal in Herborn an und durchlief erstmal ein zweijähriges Trainee-Programm. Dann noch zwei Jahre für Rittal in Singapur, ehe sie 1996 nach Shanghai geschickt wurde, um das China-Geschäft aufzubauen. Das tat sie erfolgreich. 2008 wechselte sie in Shanghai zu Wittur, einem großen deutschen Mittelständler, der Komponenten für die Aufzugindustrie produziert. Ein paar Jahre später traf sie bei einem Abendessen einen Vetreter aus der Eigentümerfamilie der Freudenberg-Gruppe und wurde so auf das Unternehmen aufmerksam (ein Mischkonzern mit rund 10 Milliarden Euro Umsatz; Zulieferer für viele Branchen; bekanntestes Produkt: Vileda). 2012 übernahm sie für Freudenberg den Job als Regionalrepräsentantin für Asien mit Sitz in Shanghai. „Bislang war ich ja stets operativ tätig, Konzernverantwortung fehlte mir noch“, sagt Schön-Behanzin. Die hat sie nun im regionalen Headquarter von Freudenberg in Shanghai, das allein in China für rund 8 000 Mitarbeiter und 28 Produktionsstätten zuständig ist.

Neben ihren Jobs hat sich Schön-Behanzin immer auch in den Handelskammern engagiert. In der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Shanghai war sie als erste Frau Vorsitzende. Derzeit engagiert sie sich stark in der Europäischen Handelskammer. Sie denkt in größeren Zusammenhängen. Die aufkommenden Vorschläge zur wirtschaftlichen Entkoppelung von China hält sie für unrealistisch: „Wir können uns doch gar nicht abkoppeln. Wie soll das denn gehen?“ Sie versucht Brücken zu bauen und verteidigt ihr China sowie ihre zweite Heimat Shanghai, deren Stadtverwaltung ihr 2019 als erster Deutschen den prestigeträchtigen Magnolia Gold Award verlieh.  „Es ist inzwischen eine wahnsinnig moderne Stadt, die überall auf der Welt sein könnte“, sagt sie. Es gebe aber noch einige Winkel, die seien noch so wie vor 30 Jahren. Zum Beispiel das Teehaus im Yu Garden. Da bekomme man immer noch wie früher die Straußeneier zum Tee. Apropos Essen: „Ich liebe die chinesischen Küchen und entdecke auch nach so langer Zeit immer noch neue Gerichte“, sagt sie. Nur an das chinesische Frühstück wird sie sich nicht mehr gewöhnen. Zwar trinkt sie (nicht nur) morgens ein Glas warmes Wasser (mit ein paar Tropfen Limonensaft), „aber danach brauche ich mein deutsches Frühstück mit Wurst, Käse und Kaffee“.

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