SPORT I Wie das Boxen nach China kam

Im Winter 1979 besuchte Muhammad Ali zum ersten Mal China. Über Hongkong reiste er nach Guangzhou. Dort wurde ihm eine Einladung nach Beijing überreicht, „to meet an important person“. Ali flog nach Beijing – und traf Deng Xiaoping. Das sportliche und politische Schwergewicht schüttelten sich die Hände und sprachen auch über das Boxen, das bis dato in China verboten war. Zu brutal sei dieser Sport, zudem ein Exzess des Kapitalismus, lautete die Begründung. Aber Deng begann von dieser harten Linie abzuweichen. 1985 reiste Ali ein weiteres Mal nach China. Kurze Zeit später wurde das Box-Verbot aufgehoben. Die Sportbehörden wies Schulen an, Talente zu sichten und zu kasernieren. Einer der ersten war Liu Gang. Der Mittelschüler aus Luzhen in Sichuan war damals 15 Jahre alt, sportbegeistert und überglücklich, dass er auf eine ti xiao (Sportschule) nach Chengdu durfte. Vom Boxen hatte er freilich keine Ahnung. „Ist es eine Art Kampfkunst?“ fragte er den Lehrer. Der antwortete: „Es ist ein Sport aus dem Westen.“ Chinas erste Boxer trainierten brutal viel. Sechs Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. „Es floss viel Blut“, sagt Liu, „wir hatten keine guten Boxhandschuhe damals“. Liu schaffte es in den Nationalkader und nahm 1992 an den Olympischen Spielen in Barcelona teil, wo er allerdings in der ersten Runde rausflog. Trotzdem entschied er, Profiboxer zu werden. 1994 ging er nach Australien, bestritt einige Kämpfe und bekam dort später eine Promoter-Lizenz. Mit dieser ging er zurück nach China, eröffnete in Kunming eine Profi-Boxer-Schule, die erfolgreiche Athleten wie Xu Congliang (The Tiger of Chuxiong) oder Xu Can (The Monster) hervorbrachte. Beide wurden in ihren Klassen Weltmeister.  Liu Gang ist inzwischen dank dieser Erfolge seiner Schützlinge Chinas berühmtester Box-Promoter. Profi-Boxen ist etabliert, die Kämpfe werden in CCTV übertragen. Parallel dazu hat sich aber auch das Amateurboxen durchgesetzt. Zou Shiming gewann 2004 in Athen die erste Medaille im Boxen für China. Es war nur Bronze, 2008 in Beijing holte er aber Gold wie auch Zhang Xiaoping. Und auch Chinas Frauen haben den Ring erobert. Drei – Gao Lijun, Zhang Xiyan und Wang Yanan – wurden gar Weltmeisterinnen. Der einst als kapitalistisch verschriene Sport hat sich im staatskapitalistischen China durchgeboxt.

Info:

Ein Porträt von Liu Gang in „Sixth Tone“ gibt es hier: https://www.sixthtone.com/news/1009852/the-godfather-of-chinese-boxing und hier die Geschichten der drei chinesischen Boxweltmeisterinnen: https://www.sixthtone.com/news/1009861/the-three-women-who-won-chinas-first-world-professional-boxing-titles

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