China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands immer wieder auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird aber eine Old China Hand vorgestellt: Henrik Bork (59).
Gegen Jahresende 1995 brachte es Henrik Bork zu einer Berühmtheit, auf die er gerne verzichtet hätte. Er musste damals China verlassen. Seine Akkreditierung als Korrespondent wurde nicht verlängert. Er wurde de facto ausgewiesen. Auch eine Intervention des damaligen Außenministers Klaus Kinkel half nichts. Vorausgegangen war ein Deutschland-Besuch von Li Peng, der im Desaster endete. Überall Proteste, vorzeitige Abreise. Li Peng war sauer, suchte einen Schuldigen, fand ihn in der bösen deutschen Presse und Henrik Bork, dessen Berichterstattung – so der damalige Vorwurf – „einseitig“ und „negativ“ sei. Er sah das freilich anders: „Ich schrieb doch damals mit sehr viel China-Sympathie.“ Heute lebt Bork längst wieder in China. Über den Rauswurf von damals kann er heute ohne Ressentiments sprechen. Journalist ist er inzwischen nur noch nebenbei. Hauptberuflich ist er Chef seiner eigenen Kommunikationsagentur „Asia Waypoint“ und einer der wenigen Korrespondenten, die in China hängen geblieben sind.
Bork studierte in den 80er Jahren Sinologie an der LMU München, aber nebenbei auch Kommunikations- und Theaterwissenschaften. Sein Berufsziel war während des Studiums noch nicht klar: Journalist oder Regisseur? Dann machte er aber 1986 ein Auslandssemester in China, reiste viel durch das Land und sah dort viel Armut: „Damals war ich sehr idealistisch und wollte einen Beruf ergreifen, der dem Menschen hilft.“ Und er dachte, als Journalist könne er die Welt verbessern. Er absolvierte 1990/91 die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg, zu dessen damaligem Leiter Wolf Schneider („eine Person, die mich sehr beeinflusst hat“) er immer noch Kontakt hält. Als er nach Absolvierung der Journalistenschule hörte, dass die Frankfurter Rundschau (FR) einen China-Korrespondenten als Nachfolger von Jürgen Kremb suchte, der damals zum Spiegel wechselte, rief er in Frankfurt an und bekam die Stelle. Von der Journalistenschule zum Auslandskorrespondenten – das ist ungewöhnlich. „Ich hatte das nicht erwartet“, sagt Bork, „das war für mich ein Traumjob.“ Bis der Traum 1995 jäh platzte. Bork ging zurück nach Deutschland – und war zunächst arbeitslos. „In den USA macht man als ausgewiesener Journalist Karriere, hier wird man vergessen“, sagt Bork. Doch einer erinnerte sich an ihn: Uwe Vorkötter, damals Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung. Er fragte Bork, ob er für den Pool (Stuttgarter Zeitung, FR und diverse andere Regionalblätter) nach Tokio wolle. So ging Bork nach Tokio, wo er erst für den Pool (er nennt ihn “Flohzirkus“) und dann ab 2000 als Nachfolger des legendären Gebhard Hielscher für die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete. Zwischendurch flog er immer mal wieder privat nach Beijing. Dabei wurde er auch einmal vom Außenministerium zum Mittagessen eingeladen, bei dem ihn eine Beamtin fragte: „Wann kommen Sie denn zurück nach China?“ Das war für den China-Kenner ein klares Signal, dass sie nichts mehr gegen ihn hatten. So war für Bork der Weg frei, 2005 wieder als China-Korrespondent der SZ nach Beijing zurückzukehren – als Nachfolger von Kai Strittmatter. Bis Ende 2011 schrieb er für das Blatt aus München. Dann kündigte er. Warum? Da müsste man jetzt einige Interna veröffentlichen, aber das hier ist kein Waschsalon für schmutzige Wäsche. Nur so viel: Die Auffassungen über den Journalismus im Allgemeinen und die Rolle eines Korrespondenten klafften zunehmend auseinander. Bork betont aber, dass er der SZ viel zu verdanken habe. Als Ex-Korrespondent des renommierten Blattes war es für ihn leichter, Kunden für seine Kommunikationsagentur „Asia Waypoint“ zu gewinnen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist vor allem die strategische Kommunikation. „Ich berate CEOs und Präsidenten großer Unternehmen bei ihrer Positionierung in China.“ Daneben macht er aber auch PR, zum Beispiel eine Imagekampagne für die EU. Doch das Schreiben kann der ehemalige Journalist nicht lassen. Ab und zu haut er in die Tasten. Kürzlich schrieb er für das Wirtschaftsmagazin „brandeins“ einen Essay mit dem Titel „Was macht den chinesischen Kapitalismus so erfolgreich?“ Dabei ging er den Fragen nach, ob der chinesische Staatskapitalismus dem liberalen Kapitalismus westlicher Prägung überlegen sei. Und ob China den Wettkampf der Systeme gewinne. Das würden viele gerne wissen. Aber Bork muss passen und bekennt sympathisch ehrlich: „Nach knapp drei Jahrzehnten in China habe ich immer noch keine Antwort auf diese Fragen.“